Freitag, 6. Januar 2017

Albanien Reise 2016 - 3. Reisetag


Heike
3. Tag - Frühstück am Gardasee / Abendessen in Venedig

Glücklich erwache ich am Morgen. Glücklich, weil die Sonne lacht aber noch glücklicher, das ich durch geschlafen habe und die Kopfschmerzen weg sind.  Frank schläft noch fest neben mir, leise stehe ich auf, gehe zu Freddy, der nachts auf den Toyota aufpasste und drehe mit ihm eine Runde durchs Dorf. Ich mag es so früh unterwegs zu sein, wenn alles erst am Erwachen ist, es hat was intimes, ehrfürchtiges, irgendwie berührendes. Das Dorf ist klein, schneller als geplant sind wir die Wege abgelaufen.
 
Wieder zurück im Hotel, schlüpfen Frank und ich in die hoteleigenen Bademäntel, und laufen Richtung beheizten Außenpool. Wir genießen den Ausblick, schwimmen mehrere Runden, danach geht es frühstücken. Ich fühle mich zwar  noch immer schlapp, aber das Glücksgefühl von heute Morgen, der Überblick über das herrliche Frühstücksbuffett, der Gedanke am Gardasee auf einer Terrasse mit tollem Ausblick zu frühstücken und am Abend in Venedig in einer urigen Pizzeria zu speisen, beschwingt mich.
Gegen elf Uhr verlassen wir das Hotel, kurz ist der Gedanke in mir, noch einen Tag zu verlängern, noch ein wenig mehr der Bequemlichkeit  eines so schönen Hotels zu frönen. (S steht für Superior, laut Google wird es auf Basis einer erstklassigen, qualitativ hochwertigen, makellosen und zeitgemäßen einheitlichen 4*-Hardware im gesamten Hotelbereich vergeben, ebenso für ein deutliches Mehr an Serviceangebot und Dienstleistung,  qualitätsgeprüft durch einen Inkognito-Test). Dann erinnere ich mich an eine buddhistischen Weisheit, die besagt: Über kurz oder lang hat alles ein Ende. Also halte nichts fest. Wie immer, wenn es entlang des Gardasees in den Süden geht, wünsche ich mir bis zum Ende des Sees auf der schmalen Straße entlang zu fahren, den Anblick des Sees  zu genießen, vielleicht noch einen Kaffee im schönen Sirmione  trinken. Geht auf Grund unseres Zeitplanes nicht. Also ab auf die Autobahn, 150 km bis Venedig. Vorfreude ist in mir. Venedig - Für die einen stinkende Lagune, für die Anderen romantischer Traum. Wir biegen nach Fusina ab, eine  Art Industriestadt. Die Landschaft ist flach und wäre da der eine Fluss nicht, wohl sehr langweilig. Innerlich bereite ich mich auf einen Zeltplatz vor, der auf Grund seiner guten Lage (Venedig wenige Kilometer entfernt) es nicht nötig hat auf Komfort, Sauberkeit  oder gar Schönheit zu achten. Und werde überrascht. Der Zeltplatz bietet all das was ich ihm absprach. Dazu Restaurant, Minimarkt, großzügige Wasch- und Toilettenanlagen, anliegender Jachthafen. Es herrscht freie Platzwahl und so parken wir  am Meer ein, packen uns in dicke Jacken (Wolken und Wind sind aufgezogen), stellen unsere Stühle raus und  genießen bei Kaffee und Tee  den Blick auf Venedig, der gelegentlich und auf faszinierendste Weise von riesigen Fähr - und Containerschiffen „verstellt“ wird, die direkt vor unserer Nase entlang schippern. Anschließend kommt Freddy auf seine Kosten. Eine Stunde Wanderung über den Zeltplatz und die anliegenden Parkplätze, durch den Yachthafen bis in die dunkelsten finstersten Ecken hinein. Alles wird beschnüffelt und markiert. Danach hat er wieder Aufpasserdienst. Zumal ein Bummel durch Venedig für ihn der reinste Stress bedeuten würde.
Frank und ich steigen in den „Wasserbus“ (Haltestelle nur wenige hundert Meter vom Zeltplatz entfernt), der im Stundentakt zwischen Venedig und Fusina pendelt. Kurz vor vier Uhr ist es soweit :-). Unsere Füße betreten venezianischen Boden.
  
Kennt das jemand? Das man zwar weiß, ja auch das oder so hast du gelebt? Aber diese vergangenen Lebensphasen sich ganz weit weg anfühlen, als wären es nicht Phasen gewesen sondern völlig andere Leben? Mir geht es manchmal so. Die Gedanken die in mir sind, als ich mit Frank Venedig betrete, wandern zurück zu einen frühen Morgen vor mehr als fünfzehn Jahren, als ich mit meinem Exmann das erste Mal Venedig betrat. Es war ein Überraschungsgeschenk meinerseits. Ich sagte damals:  „Pack deine Reisetasche für vier Tage und drei Nächte. Die Kinder sind versorgt. Übermorgen geht es los.“ Erst als wir auf dem Leipziger Bahnhof in den Nachtzug nach Venedig stiegen, erfuhr er, wohin es geht. Die Sonne ging auf, als der Zug in den Bahnhof von Venedig einfuhr. Wir hatten vor Aufregung kaum geschlafen, einige Gläser Sekt intus und standen wie Kinder am Canale Grande. Nebel stieg auf, alles glitzerte. Erstaunt sahen wir uns an: Haben wir zu viel getrunken? Ist das hier eine Kulisse für einen besonders kitschigen Film? Oder ist das echt echt hier?!
Wir schliefen drei Nächte auf dem Lido, fuhren per Wasserbus früh und abends in die Lagunenstadt, zu einer Zeit indem die Tagestouristen noch nicht oder schon wieder abgereist waren. In der Zwischenzeit blieben wir auf der Venedig vorgelagerten Laguneninsel oder schipperten auf die Inseln Burano und Murano.  Für  die letzte Nacht hatte ich mir eine weitere Überraschung überlegt. Per Boot ging es gegen Abend zum Weltbekannten Casino. Dorthin, wo zur späteren Stunde Männer und Frauen ganz in schwarz erscheinen würden, an deren Handgelenk eine goldene Uhr, eine goldene Kette oder ein goldenes Armband schimmerte, die eine dekadente Langeweile im Gesicht trugen, wie andere ihre neueste Sonnenbrille, deren Spieltisch mit einem dicken Tau abgetrennt werden würde und auf dem sich Jetons stapelten, mit den aufgedruckten Zahlen fünf - und zehntausend. Aber das erlebten wir erst nach Mitternacht. Vier Stunden zuvor lieh sich mein Exmann an der Garderobe ein Jackett, während ich im Kleid akzeptiert wurde. Wir tauschten eine zuvor ausgemachte feste Summe in Spielsteine. Um was wir spielten? Um ein gutes Hotel direkt im Herzen der Lagunenstadt. Erst sah es sehr gut aus. Später?! Streckten die Bettler die vor dem Casino saßen (landeinwärts) noch nicht mal ihre Hände nach uns aus. Da sie Mimik & Gestik – Lese – Spezialisten sind. Wir verbrachten die Nacht  in einem keimigen Zimmer mit einem einzigen verdrecktem Gemeinschaftsklo auf dem Flur unter uns.    

Ist es ein Zeichen frage ich mich, während Frank und meine Füße uns in die engen Gassen Venedigs tragen,  das ich nun mit Frank hier bin?  Venedig,  die Stadt der Liebe. Ich habe meinen Exmann geliebt, ohne wenn und aber. Ich liebe Frank, ohne wenn und aber. Bei den zwei Männern die dazwischen kamen, hüpfte stets ein Vogel Namens Zweifel mit. Er flüsterte sich mal mehr auf, mal weniger, existent war er immer. Meine Freundinnen versuchten diesen Vogel  zu zähmen, indem sie sagten: Hör auf zu zweifeln. Sieh, was der Mann alles für dich tut. So einen Mann findest du nicht wieder. Du hast einfach zu viele Erwartungen. Manchmal auch arger: Du hast drei Kinder, eine Vergangenheit, da kommt kein Traumprinz mehr. Aber Liebe ist nun mal keiner Vernunft geschuldet, Liebe ist ein Bauch/ Herzgefühl. Diese beiden wissen manchmal mehr als der Kopf.  Bereuen tue ich dennoch nichts. Ich sehe das so, wir sollten dankbar für jeden Menschen sein, der uns auf unseren Lebensweg begleitet oder begleitete. Unsere vorhergehenden Partner machen uns ja letztendlich mit zu dem was wir heute sind. Im besten Fall nehmen wir das Gute aus jeder Beziehung mit, haben etwas Neues dazu gelernt und lassen das weniger Schöne  los. Sicher gibt es stets auch einen noch besseren Fall: Das Paar was vor zwanzig Jahren zusammen kam, entwickelt sich gemeinsam in die gleiche Richtung weiter, zieht gemeinsam die Kinder groß, findet bei deren Auszug ein neues gemeinsames Hobby und entdeckt die Freude am gemeinsamen Liebesspiel wieder ( oder lebt es wieder häufiger aus).  Es gibt jedoch stets auch einen schlechteren Fall: Das Paar entwickelte sich nicht gemeinsam weiter und schon gar nicht in die gleiche oder ähnliche Richtung, bleibt aber zusammen, weil Kinder da sind (auch, wenn die mittlerweile groß sind), weil die Schuldenbelastung aufs Haus noch steht, aus Mangel an Mut, aus Angst vorm möglichen Alleinsein, aus purer Bequemlichkeit und beide altern viel zu schnell, mit bitteren Zügen um ihren Mundwinkeln, stumpf gewordenen Augen und vertrockneter Libido.

Meine Gedanken bezüglich Vergangenheit verblassen. Hand in Hand lassen Frank und ich mich durch die Gassen Venedigs treiben. Wir stehen auf der Rialtobrücke, schauen auf den Canale Grande, schauen, staunen, schauen, staunen. Wassertaxis, Wasserbusse, Gondeln – ein buntes quirliges Gemisch. Gondeln in Venedig. Was fällt mir dazu ein? Es gehört dazu, tropft vor kitschiger Schönheit, vielleicht ein Muss, und es ist ebenso absurd. Denn kann wirklich Romantik aufkommen, wenn neben einem Motorboote in verschiedenen Größen mit viel und wenig PS vorbei düsen? Ich denke, es ist wie so oft eine Frage der Entscheidung. Will ich das es romantisch ist? Wenn ja, dann ist mein Blick auf meinen Partner gerichtet, auf die Gondel, auf den Gondoliere, auf die alten Häuser um mich herum und alles andere blende ich aus. Frank und ich nehmen uns dennoch keine Gondel. Wir kaufen stattdessen in einen kleinen Supermarkt am Canale Grande ein Picknick und setzen uns auf die überall gestapelten Hochwasserbänke. Die werden bei Bedarf, also bei Überschwemmung der Stadt, aneinander gereiht aufgestellt, um trockenen Fußes von A nach B zu kommen. Es macht einfach nur Spaß hier zu sitzen und Menschen zu beobachten.  Denn Venedig ist auch das: Eine herrliche internationale farbenprächtige Menschenansammlung. Wir laufen weiter, irren durch Gassen, kommen auf dem Markusplatz an, laut Napoleon der schönste Festsaal Europas, wir bleiben in der Mitte des riesigen Platzes stehen und drehen uns langsam im Kreis. Egal, wie oft dieser Platz schon fotografiert wurde, er ist und bleibt einfach etwas ganz Besonderes.  Irgendwann kommt der Punkt, an dem es zu viel wird.

Wir suchen uns ein Restaurant ganz in der Nähe, wo unser Wasserbus uns wieder nach Fusina bringen wird, essen Pasta und Pizza, genießen die abendliche Kulisse um uns herum und unterhalten uns. Hat eine Stadt eine Seele? Und wenn ja, leidet diese, wenn Tag für Tag ein großes Kreuzfahrschiff nach dem anderen anlegt, zig Busse vorfahren, Parkplätze und Parkhäuser überquellen? Frank und ich mögen es ab und an in so einer quirligen Stadt zu sein, aber irgendwann ist uns das Stimmengewirr zu viel und ebenso all die Eindrücke, Düfte, Befindlichkeiten. Dann steigen wir in unser Fahrzeug, auf unser Rad, auf die Ski, ins Kanu, suchen und finden Stille und Weite. Wie ist das mit einer Stadt die nicht weg laufen, nie durchatmen, sich nie leer machen kann, für die Ruhe, Stille, Weite ein Fremdwort ist? Zu guter Letzt kommt uns noch eine andere Frage in den Sinn, die unsere Augen leuchten lässt. Wie wäre es Nachts oder zumindest am späten Abend mit unseren zwei Sup´s (Stand up Paddel) durch Venedig zu paddeln? Ist dies erlaubt? Und wann finden wir die Zeit dies auszuprobieren?
Mit dem letzten Wasserbus und dem Entschluss das nächste Mal stehend oder kniend hier entlang zu paddeln, geht es zurück. Trotz der Kälte sitzen wir auf dem Oberdeck, das hat Venedig nun mal verdient, den Blick bis zum Letzten auskosten. Mit uns ist nur ein junges Pärchen an Deck, der Mann spielt für seine Freundin auf der Gitarre. Wir kuscheln uns noch näher aneinander. Ach die Liebe ist doch was Schönes :-). Das Leben alle Mal.



1 Kommentar:

  1. Schöne Worte die mein Herz berühren...Erinnerungen an vergangenes und wie es wieder sein kann.
    Ich wünsche euch viel Zeit in dieser schönen Energie.
    Habe gerade eure Seite entdeckt und freue mich auf eure Reiseberichte von 2017.
    Herzliche Grüße
    Tom

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