3. Tag - Frühstück am Gardasee / Abendessen in Venedig
Glücklich erwache ich am
Morgen. Glücklich, weil die Sonne lacht aber noch glücklicher, das ich durch
geschlafen habe und die Kopfschmerzen weg sind.
Frank schläft noch fest neben mir, leise stehe ich auf, gehe zu Freddy,
der nachts auf den Toyota aufpasste und drehe mit ihm eine Runde durchs Dorf.
Ich mag es so früh unterwegs zu sein, wenn alles erst am Erwachen ist, es hat
was intimes, ehrfürchtiges, irgendwie berührendes. Das Dorf ist klein,
schneller als geplant sind wir die Wege abgelaufen.
Wieder zurück im Hotel,
schlüpfen Frank und ich in die hoteleigenen Bademäntel, und laufen Richtung
beheizten Außenpool. Wir genießen den Ausblick, schwimmen mehrere Runden,
danach geht es frühstücken. Ich fühle mich zwar
noch immer schlapp, aber das Glücksgefühl von heute Morgen, der
Überblick über das herrliche Frühstücksbuffett, der Gedanke am Gardasee auf
einer Terrasse mit tollem Ausblick zu frühstücken und am Abend in Venedig in
einer urigen Pizzeria zu speisen, beschwingt mich.
Gegen elf Uhr verlassen wir
das Hotel, kurz ist der Gedanke in mir, noch einen Tag zu verlängern, noch ein
wenig mehr der Bequemlichkeit eines so
schönen Hotels zu frönen. (S steht für Superior, laut Google wird es auf Basis
einer erstklassigen, qualitativ hochwertigen, makellosen und zeitgemäßen
einheitlichen 4*-Hardware im gesamten Hotelbereich vergeben, ebenso für
ein deutliches Mehr an Serviceangebot und Dienstleistung, qualitätsgeprüft durch einen Inkognito-Test).
Dann erinnere ich mich an eine buddhistischen Weisheit, die besagt: Über kurz
oder lang hat alles ein Ende. Also halte nichts fest. Wie immer, wenn es
entlang des Gardasees in den Süden geht, wünsche ich mir bis zum Ende des Sees
auf der schmalen Straße entlang zu fahren, den Anblick des Sees zu genießen, vielleicht noch einen Kaffee im
schönen Sirmione trinken. Geht auf Grund
unseres Zeitplanes nicht. Also ab auf die Autobahn, 150 km bis Venedig.
Vorfreude ist in mir. Venedig - Für die einen stinkende Lagune, für die Anderen
romantischer Traum. Wir biegen nach Fusina ab, eine Art Industriestadt. Die Landschaft ist flach
und wäre da der eine Fluss nicht, wohl sehr langweilig. Innerlich bereite
ich mich auf einen Zeltplatz vor, der auf Grund seiner guten Lage (Venedig
wenige Kilometer entfernt) es nicht nötig hat auf Komfort, Sauberkeit oder gar Schönheit zu achten. Und werde
überrascht. Der Zeltplatz bietet all das was ich ihm absprach. Dazu Restaurant,
Minimarkt, großzügige Wasch- und Toilettenanlagen, anliegender Jachthafen. Es
herrscht freie Platzwahl und so parken wir
am Meer ein, packen uns in dicke Jacken (Wolken und Wind sind
aufgezogen), stellen unsere Stühle raus und
genießen bei Kaffee und Tee den
Blick auf Venedig, der gelegentlich und auf faszinierendste Weise von riesigen
Fähr - und Containerschiffen „verstellt“ wird, die direkt vor unserer Nase
entlang schippern. Anschließend kommt Freddy auf seine Kosten. Eine Stunde
Wanderung über den Zeltplatz und die anliegenden Parkplätze, durch den
Yachthafen bis in die dunkelsten finstersten Ecken hinein. Alles wird
beschnüffelt und markiert. Danach hat er wieder Aufpasserdienst. Zumal ein
Bummel durch Venedig für ihn der reinste Stress bedeuten würde.
Frank und ich steigen in den
„Wasserbus“ (Haltestelle nur wenige hundert Meter vom Zeltplatz entfernt), der
im Stundentakt zwischen Venedig und Fusina pendelt. Kurz vor vier Uhr ist es
soweit :-). Unsere Füße betreten venezianischen Boden.
Kennt das jemand? Das man zwar weiß, ja auch das oder so hast du gelebt? Aber diese vergangenen Lebensphasen sich ganz weit weg anfühlen, als wären es nicht Phasen gewesen sondern völlig andere Leben? Mir geht es manchmal so. Die Gedanken die in mir sind,
als ich mit Frank Venedig betrete, wandern zurück zu einen frühen Morgen vor
mehr als fünfzehn Jahren, als ich mit meinem Exmann das erste Mal Venedig
betrat. Es war ein Überraschungsgeschenk meinerseits. Ich sagte damals: „Pack deine Reisetasche für vier Tage und
drei Nächte. Die Kinder sind versorgt. Übermorgen geht es los.“ Erst als wir
auf dem Leipziger Bahnhof in den Nachtzug nach Venedig stiegen, erfuhr er,
wohin es geht. Die Sonne ging auf, als der Zug in den Bahnhof von Venedig
einfuhr. Wir hatten vor Aufregung kaum geschlafen, einige Gläser Sekt intus und
standen wie Kinder am Canale Grande. Nebel stieg auf, alles glitzerte. Erstaunt
sahen wir uns an: Haben wir zu viel getrunken? Ist das hier eine Kulisse für
einen besonders kitschigen Film? Oder ist das echt echt hier?!
Wir schliefen drei Nächte auf
dem Lido, fuhren per Wasserbus früh und abends in die Lagunenstadt, zu einer
Zeit indem die Tagestouristen noch nicht oder schon wieder abgereist waren. In
der Zwischenzeit blieben wir auf der Venedig vorgelagerten Laguneninsel
oder schipperten auf die Inseln Burano und Murano. Für
die letzte Nacht hatte ich mir eine weitere Überraschung überlegt. Per
Boot ging es gegen Abend zum Weltbekannten Casino. Dorthin, wo zur späteren
Stunde Männer und Frauen ganz in schwarz erscheinen würden, an deren Handgelenk eine goldene Uhr, eine goldene Kette oder ein goldenes Armband
schimmerte, die eine dekadente Langeweile im Gesicht trugen, wie andere ihre
neueste Sonnenbrille, deren Spieltisch mit einem dicken Tau abgetrennt werden
würde und auf dem sich Jetons stapelten, mit den aufgedruckten Zahlen fünf - und
zehntausend. Aber das erlebten wir erst nach Mitternacht. Vier Stunden zuvor
lieh sich mein Exmann an der Garderobe ein Jackett, während ich im Kleid akzeptiert
wurde. Wir tauschten eine zuvor ausgemachte feste Summe in Spielsteine. Um was wir
spielten? Um ein gutes Hotel direkt im Herzen der Lagunenstadt. Erst sah es
sehr gut aus. Später?! Streckten die Bettler die vor dem Casino saßen
(landeinwärts) noch nicht mal ihre Hände nach uns aus. Da sie Mimik &
Gestik – Lese – Spezialisten sind. Wir verbrachten die Nacht in einem keimigen Zimmer mit einem einzigen
verdrecktem Gemeinschaftsklo auf dem Flur unter uns.
Ist es ein Zeichen frage ich
mich, während Frank und meine Füße uns in die engen Gassen Venedigs
tragen, das ich nun mit Frank hier
bin? Venedig, die Stadt der Liebe. Ich habe meinen Exmann
geliebt, ohne wenn und aber. Ich liebe Frank, ohne wenn und aber. Bei den zwei
Männern die dazwischen kamen, hüpfte stets ein Vogel Namens Zweifel mit. Er flüsterte
sich mal mehr auf, mal weniger, existent war er immer. Meine Freundinnen
versuchten diesen Vogel zu zähmen, indem
sie sagten: Hör auf zu zweifeln. Sieh, was der Mann alles für dich tut. So
einen Mann findest du nicht wieder. Du hast einfach zu viele Erwartungen.
Manchmal auch arger: Du hast drei Kinder, eine Vergangenheit, da kommt kein
Traumprinz mehr. Aber Liebe ist nun mal keiner Vernunft geschuldet, Liebe ist
ein Bauch/ Herzgefühl. Diese beiden wissen manchmal mehr als der Kopf. Bereuen tue ich dennoch nichts. Ich sehe das
so, wir sollten dankbar für jeden Menschen sein, der uns auf unseren Lebensweg
begleitet oder begleitete. Unsere vorhergehenden Partner machen uns ja
letztendlich mit zu dem was wir heute sind. Im besten Fall nehmen wir das Gute
aus jeder Beziehung mit, haben etwas Neues dazu gelernt und lassen das weniger
Schöne los. Sicher gibt es stets auch
einen noch besseren Fall: Das Paar was vor zwanzig Jahren zusammen kam,
entwickelt sich gemeinsam in die gleiche Richtung weiter, zieht gemeinsam die
Kinder groß, findet bei deren Auszug ein neues gemeinsames Hobby und entdeckt
die Freude am gemeinsamen Liebesspiel wieder ( oder lebt es wieder häufiger
aus). Es gibt jedoch stets auch einen
schlechteren Fall: Das Paar entwickelte sich nicht gemeinsam weiter und schon
gar nicht in die gleiche oder ähnliche Richtung, bleibt aber zusammen, weil
Kinder da sind (auch, wenn die mittlerweile groß sind), weil die
Schuldenbelastung aufs Haus noch steht, aus Mangel an Mut, aus Angst vorm
möglichen Alleinsein, aus purer Bequemlichkeit und beide altern viel zu
schnell, mit bitteren Zügen um ihren Mundwinkeln, stumpf gewordenen Augen und
vertrockneter Libido.
Meine Gedanken bezüglich
Vergangenheit verblassen. Hand in Hand lassen Frank und ich mich durch die
Gassen Venedigs treiben. Wir stehen auf der Rialtobrücke, schauen auf den Canale
Grande, schauen, staunen, schauen, staunen. Wassertaxis, Wasserbusse, Gondeln –
ein buntes quirliges Gemisch. Gondeln in Venedig. Was fällt mir dazu ein? Es
gehört dazu, tropft vor kitschiger Schönheit, vielleicht ein Muss, und es ist
ebenso absurd. Denn kann wirklich Romantik aufkommen, wenn neben einem
Motorboote in verschiedenen Größen mit viel und wenig PS vorbei düsen? Ich denke,
es ist wie so oft eine Frage der Entscheidung. Will ich das es romantisch ist?
Wenn ja, dann ist mein Blick auf meinen Partner gerichtet, auf die Gondel, auf
den Gondoliere, auf die alten Häuser um mich herum und alles andere blende ich
aus. Frank und ich nehmen uns dennoch keine Gondel. Wir kaufen stattdessen in
einen kleinen Supermarkt am Canale Grande ein Picknick und setzen uns auf die
überall gestapelten Hochwasserbänke. Die werden bei Bedarf, also bei
Überschwemmung der Stadt, aneinander gereiht aufgestellt, um trockenen Fußes
von A nach B zu kommen. Es macht einfach nur Spaß hier zu sitzen und Menschen
zu beobachten. Denn Venedig ist auch
das: Eine herrliche internationale farbenprächtige Menschenansammlung. Wir
laufen weiter, irren durch Gassen, kommen auf dem Markusplatz an, laut Napoleon
der schönste Festsaal Europas, wir bleiben in der Mitte des riesigen Platzes
stehen und drehen uns langsam im Kreis. Egal, wie oft dieser Platz schon fotografiert
wurde, er ist und bleibt einfach etwas ganz Besonderes. Irgendwann kommt der Punkt, an dem es zu viel
wird.
Wir suchen uns ein Restaurant ganz in der Nähe, wo unser Wasserbus uns wieder nach Fusina bringen wird, essen Pasta und Pizza, genießen die abendliche Kulisse um uns herum und unterhalten uns. Hat eine Stadt eine Seele? Und wenn ja, leidet diese, wenn Tag für Tag ein großes Kreuzfahrschiff nach dem anderen anlegt, zig Busse vorfahren, Parkplätze und Parkhäuser überquellen? Frank und ich mögen es ab und an in so einer quirligen Stadt zu sein, aber irgendwann ist uns das Stimmengewirr zu viel und ebenso all die Eindrücke, Düfte, Befindlichkeiten. Dann steigen wir in unser Fahrzeug, auf unser Rad, auf die Ski, ins Kanu, suchen und finden Stille und Weite. Wie ist das mit einer Stadt die nicht weg laufen, nie durchatmen, sich nie leer machen kann, für die Ruhe, Stille, Weite ein Fremdwort ist? Zu guter Letzt kommt uns noch eine andere Frage in den Sinn, die unsere Augen leuchten lässt. Wie wäre es Nachts oder zumindest am späten Abend mit unseren zwei Sup´s (Stand up Paddel) durch Venedig zu paddeln? Ist dies erlaubt? Und wann finden wir die Zeit dies auszuprobieren?
Mit dem letzten Wasserbus und dem Entschluss das nächste Mal stehend oder kniend hier entlang zu paddeln, geht es zurück. Trotz der Kälte sitzen wir auf dem Oberdeck, das hat Venedig nun mal verdient, den Blick bis zum Letzten auskosten. Mit uns ist nur ein junges Pärchen an Deck, der Mann spielt für seine Freundin auf der Gitarre. Wir kuscheln uns noch näher aneinander. Ach die Liebe ist doch was Schönes :-). Das Leben alle Mal.
Mit dem letzten Wasserbus und dem Entschluss das nächste Mal stehend oder kniend hier entlang zu paddeln, geht es zurück. Trotz der Kälte sitzen wir auf dem Oberdeck, das hat Venedig nun mal verdient, den Blick bis zum Letzten auskosten. Mit uns ist nur ein junges Pärchen an Deck, der Mann spielt für seine Freundin auf der Gitarre. Wir kuscheln uns noch näher aneinander. Ach die Liebe ist doch was Schönes :-). Das Leben alle Mal.
Schöne Worte die mein Herz berühren...Erinnerungen an vergangenes und wie es wieder sein kann.
AntwortenLöschenIch wünsche euch viel Zeit in dieser schönen Energie.
Habe gerade eure Seite entdeckt und freue mich auf eure Reiseberichte von 2017.
Herzliche Grüße
Tom