Montag, 29. August 2016

Marokko Reise 2016 - Montag, den 18.04.2016 Teil 1

Heike
Montag, 19. Reisetag

Das Dorf von Zwerg Nase --- Ait Benhaddou
 

Wir erleben den heutigen Sonnenaufgang vom Bett aus. Mit allen Sinnen; Fühlend - wir liegen  aneinander gekuschelt da; Sehend – wir bestaunen aus dem Gagenfenster heraus die herrliche Kulisse; Hörend – es ist so herrlich, wenn all die Tiere um uns erwachen; Riechend – ja, wie beschreibt man nur den Geruch des Südens...süß, blumig;  Schmeckend – wir knutschen uns ab; 6. Sinn – wir spüren/ ahnen/ wissen ….  sagen wir mal um die „göttliche Führung“, die uns zusammen brachte auf eine sehr ungewöhnliche kaum glaubbare Art und Weise. 
Eine viertel Stunde später lasse ich mich in das mehr als kalte Wasser des Pools gleiten. Das gelingt mir nur, weil ich vorher die Duschen überprüft habe. Erstens, nach Funktionalität – Ist ein Wasserhahn vorhanden? Läuft daraus auch Wasser? Ist der Duschkopf intakt bzw. überhaupt vorhanden? Zweitens, nach Thermik. Oh ja, die haben hier tatsächlich wunderbar heißes Wasser. Frank drückt sich vorm schwimmen im Pool, ebenso vor einem kurzen kaltem eintauchen darin und heiß duschen will er auch nicht. Er sagt, er hätte gestern erst geduscht. Mittlerweile habe ich keine Fragezeichen mehr an und in mir, was gestern mit heute zu tun hat, wenn es ums duschen geht. Frank übrigens auch nicht, bezüglich: Wenn du früh schon in der Wanne sitzt, wieso badest du dann abends noch einmal? Ja, weil lesen, Kaffee schlürfen, Rotwein trinken, Schokolade essen, träumen - in der Wanne einfach sooooo schön ist.
Unser Frühstück verschieben wir auf später um die frühe Stunde zu nutzen und uns das alte Dorf Aït-Benhaddou anzusehen - eine der laut Wikipedia ganz wenigen noch halbwegs gut erhaltenen Lehmbau-siedlungen in Südmarokko. Wir nehmen den Weg durch die Gärten hindurch und wieder fügt sich ein "Puzzle - teil" ein. Denn es ist so, als hätte ich diesen Morgen und diesen Weg bereits zuvor geträumt. Eigentlich nichts besonders - wir laufen an Gartenparzellen entlang, die durch Trampelpfade begrenzt werden, Sonnenlicht bricht durch Palmen hindurch, ein Bauer kommt auf seinem Esel daher geritten, schickt uns ein  „Bon Jour“ entgegen, wir
grüßen ebenso lächelnd zurück, eine Bäuerin erntet auf ihrem Feld Zwiebeln in einen Bastkorb. Eine andere Bäuerin kreuzt unseren Weg oder wir den Ihrigen, ganz wie man es sehen will, sie  nickt uns freundlich zu, wir nicken freundlich zurück. Frieden, Klarheit, Reinheit liegt in der Luft. Tausende von Vögeln beginnen den Tag mit einem trällernden Lied. Nach den Gärten nehmen wir den Trampelpfad am Fluss entlang, halten inne, staunend das der Fluss Wasser führt und noch mehr über dieses magische Glitzern, welches in dieser Intensität nur an einem zeitigen Morgen anzutreffen ist. Langsam laufen wir weiter, Ausschau haltend nach den großen Steinen und den mit Sand gefüllten Säcken, die in den Fluss gelegt wurden, damit man diesen trockenen Fußes überqueren kann. Und sind erstaunt eine Brücke zu sehen. Davon stand nichts im
Reiseführer. Ist die Brücke neu? Aber warum wurde sie dann aus so altem Material errichtet?! Unser Blick wird von der aus Lehm erbauten Siedlung angezogen. Ich weiß, ich habe den Vergleich schon einmal erbracht, dennoch benutze ich ihn erneut. Es ist als wären wir in ein orientalisches Märchen hinein gebeamt wurden. Zwerg Nase kommt mir in den Sinn, während wir das alte Dorf betreten. Das er irgendwo sitzt, Kindern und Erwachsenen seine Geschichte erzählt. Das ist doch wohl der einzig logische Grund, warum die Gassen hier bezüglich Menschen so leer gefegt sind. Oder zumindest fast leer. Denn ab und an taucht ein Mann auf, der seinen Laden öffnet. Das heißt er entfernt ein großes Brett an einem baufälligen Haus und wir schauen erstaunt hinein: Wow, dahinter ist ja ein Verkaufsraum. Das uns kein Händler anspricht, liegt diesmal nicht an Freddy. Die Händler sind noch in ihrem eigenen Traumland, entweder noch nicht ganz wach oder sie unterliegen jeden Tag aufs Neue dem Zauber ihres eigenen Ortes. Selbst der Müllsammler der durch die Gassen sein uraltes Fahrrad schiebt, es gelegentlich anlehnt, Müll in Jutesäcke einliest wirkt irgendwie verträumt. Wir steigen durch die Gassen des alten baufälligen Dorfes nach oben (Wikipedia schreibt noch halbwegs gut erhalten...Mm...wir finden der Verfall enorm). Unsere Gefühle spalten sich. Begeisterung, Staunen,
Freude zum einen, Trauer und Wut zum anderen. Warum ist kein Geld da, um so etwas einmalig Schönes zu erhalten, zu sanieren, zu beschützen?  Ja Marokko ist arm, das wissen wir. Aber gibt es niemanden auf der ganzen Welt der/die über das nötige Geld/Beziehung verfügt, um dieses aus Lehm errichtete Dorf zu retten? Zumal der gesamte Ortskern seit 1987 von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt wurde. Zumal Hollywood (und dort ist ja bekanntlich das Geld gebündelt und gestapelt vorhanden) das Dorf als Kulisse auserwählte für insgesamt 20 Hollywoodverfilmungen! Unter anderem „Sodom und Gomorra“, „Die Bibel“, „Gladiator“, „Alexander“. Aber ich will nicht unfair sein. In der Tat wurde für den Film „Jesus von Nazareth“ ein Großteil von Aït-Benhaddou gegen Ende der 70er Jahre restauriert.
Umso höher wir aufsteigen, umso mehr Ruinen. Und dann ein Esel. Er versperrt die Gasse, durch die wir wollen. Mag sein, es gibt noch eine andere Gasse nach oben, aber dazu müssten wir wieder ganz runter und einen neuen Weg suchen. Frank wirft mir einen Blick zu, der besagt, du kennst dich mit Pferden aus, da klärst du das auch mit dem Esel. Wahrscheinlich denkt er Pferde und Esel sind anähernd identisch da sie vier Beine, vier Hufe, Fell, Mähne, Schweif und spitze Ohren haben. Ja, ich weiß ich habe diese Oberflächlichkeit bei Fahrzeugen auch schon drauf gehabt - vier Räder, ein Lenkrad, je ein Brems-, Gas-, Kupplungspedal. Freddy zieht sehr arg an der Leine. Nicht wie sonst, vorwärts voller Neugier, sondern rückwärts. Sehr offensichtlich kann er sich an den zu Schabernack aufgelegten Esel im Erg Chebbi erinnern. Und da unser Freddy ein schlauer Schäferhund ist, hat er sich wohl blitzschnell seine Chancen ausgerechnet. Die nicht sehr gut stehen. Denn der Esel steht quer in der schmalen Gasse und füllt diese damit aus. Dazu hat der Esel hier einen anderen Charakter, als der Esel im Erg Chebbi (das spürt Hund und Mensch gleichermaßen). Der in der Wüste war auf ein Spiel aus, Spielregeln: „Wir jagen uns durch die Dünen. Mal fängst du mich. Mal ich dich. Wir stupsen uns gegenseitig in die Lenden, beißen aber nicht zu. Wir haben möglichst viel Spaß miteinander. Es gibt keinen Gewinner und keinen Verlierer.“ Der Esel hier ist ein verwandelter Schäferhund. Wir gehören eindeutig nicht zu seiner Herde. Er I A`t: „Hier kommt niemand durch!", wagt es euch und ihr spürt meine Hufe!“ Ich übergebe Frank die Leine und damit Freddy, trete beherzt auf den Kopf des Esels zu, ergreife ihn am Halfter,  lehne mich gegen seinen Bauch, lehne mich noch stärker an, der Esel hält stärker dagegen, schließlich stemme ich mich samt meines gesamten Körpergewichtes gegen das flauschige Fell, der Esel stemmt zurück. Ich schaue zu Frank, „Ich haue dem Esel jetzt aufs Hinterteil. Du musst die kurze Zeit nutzen, die er daraufhin zur Seite springt."  Ich sehe Zögern in Franks Blick, beschließe, das ist jetzt so gar nicht hilfreich, aus Zögern wird bekanntlich schnell Stagnation, also haue ich dem Esel meine flache Hand auf den Hintern und rufe, „Jetzt! Lauft!“ Oh lala, mein Frank ist echt schnell. Da zahlt sich doch sein Leichtathletik - Training aus. Wenn ich es mir so recht überlege, hätte er als Hochspringer auch über den Esel hinweg springen können. Frank springt einmeterfünfundsechzig. So ein Esel ist eindeutig kleiner. Allerdings wage ich zu bezweifeln, dass Freddy seinem Herrchen auf diesem Weg gefolgt wäre.
Ich weiß, wie sich Hindernis springen anfühlt mit einem Tier, was im letzten Moment denkt, "Ach nee, spring mal alleine". Also mein Pferd hat mal kurz vor einem Hindernis so stark abgebremst, das es auf seinen Hinterbeinen zum sitzen kam.
Blöd war, das ich mich bereits nach vorne lehnte ... die Fliehkraft wirkte. Ich sprang.  Ohne Pferd! Die Zügel hielt ich weiterhin in meiner Hand. Eine nicht durchdachte, nicht geplante Unaufmerksamkeit. Es gab mitten in der Luft einen Ruck, mein Hechtsprung wurde abgestoppt und ich herum gewirbelt. Was zur Folge hatte, das ich nun ebenfalls auf meinem Hintern zum sitzen kam und durch das Hindernis hindurch mein Pferd ansah, von dem ich nicht glaubte, sondern wusste, es grinst mich an. Ja, so ähnlich, das glaube ich zumindest, müsste es sein über einen Esel zu springen, mit einer Leine in der Hand die zu einem muskulösen Hund führt, der gegen alles seine vier Beine stemmt, also gegen den Ruck der Leine, gegen den Esel und den Absprung seines Herrchens. Frank und Freddy hätten sich dann unter den Esel hindurch angeschaut. Ich nehme an, Frank mit wütendem Blick, Freddy mit Schuldbewusstem. Mein Blick war damals  schmerzverzerrt. Diagnose: Steißbeinprellung. Jahre später brach ich mir beim Schlittschuhlaufen den Steiß. Seitdem weiß ich, dass es nicht immer der Wahrheit entspricht, das eine Prellung mehr Au-Wa verursacht als ein Bruch. Beim Steiß stimmt das definitiv nicht. Auch nicht bei der Hand. Bei der Schulter gehe ich mit, da tat die Prellung mehr weh. Ob ich mir noch mehr gebrochen habe? Ja, dreimal die Nase. Ob bei der Nase eine Prellung mehr weh tut? Kann man sich überhaupt die Nase prellen?! Davon habe ich ja noch nie gehört.
Ach ja, eine Rippenprellung hatte ich auch mal. Die tat lange weh und erschwerte mir das Atmen.  Von zwei Freunden weiß ich, Rippenbrüche machen weitaus mehr Probleme. Starkes Au-Wa bei jedem Einatmen, jedem Niesen, jedem Husten, selbst beim drücken auf dem Klo. 
Oben im „Dorf“ angekommen setzen wir uns auf eine Mauer und genießen aneinander gelehnt den Ausblick. Jegliches Zeitgefühl wird ausgeschaltet. Mit dem Knurren unserer Mägen hören wir in der Ferne noch andere Geräusche. Etliche Reisebusse düsen an. Am meisten ist TUI vertreten. Menschen die von hier oben aussehen wie Ameisen bahnen sich ihren Weg durch das neue Dorf  und erreichen den Fluss. Manche überqueren diesen wie wir per Brücke, andere, die weiter oben aus dem Bus ausstiegen (bzw. dort ausgeschüttet wurden) gehen durch den Fluss. Ach nein, sie hüpfen, von einem Stein zum nächsten Sandsack – Aha, da ist also der Übergang. 
Es ist Zeit für uns hier zu verschwinden. Auf dem Weg nach
unten, lesen wir auf einem Schild, „Guesthouse“. Was hier in den Ruinen? Wir betreten den Innenhof und wieder geht es los … das mit dem Märchen. Denn damit betreten wir einen kleinen  „Palast“. Da niemand da zu sein scheint, erkunden wir diesen allein. Es gibt drei Stockwerke, viele kleine Nischen und eine Dachterrasse. Auf den vielen kleinen und größeren Tischen stehen in Vasen arrangiert frische Rosen und in den Nischen stehen an den Wänden die üblichen Bänke, also belegt mit bunten Teppichen und Kissen. Wir trauen uns einen Blick in die Gästezimmer zu werfen und sind uns sicher, wenn wir noch einmal nach Ait - Benhaddou kommen, dann klappen wir unser geliebtes Dachzelt mal ausnahmsweise nicht aus, sondern schlafen hier im Haus. Im Salon sind die Tische eingedeckt, als würde eine Abendgesellschaft erwartet werden. Wir sind schon halb wieder auf dem Weg nach draußen als ein junger Mann auf uns aufmerksam wird. Und was fragen wir? Richtig, ob wir hier einen Tee trinken können. Er nickt freudig und fragt, ob wir uns in der Zwischenzeit das Haus ansehen wollen. Das ist ja nun ein wenig peinlich. Unsere eigenmächtige Besichtigungstour zugeben oder nicht? Entscheidung per Blick: Nicht zugeben. Der Rundgang startet erneut. Unser: „Oh, wie schön“, ist nicht gespielt. Auch auf den zweiten Blick ist das Haus ein Schmaus für das Auge. Der Mann geleitet uns zum Abschluss der Führung auf die Dachterrasse, die einen grandiosen Ausblick bietet aber ansonsten nicht zum Haus
zu passen scheint. Die Tische zieren weder Tischdecken noch Vasen mit frischen Blumen, das „rund drum“ ist zwar sauber aber äußerst spartanischer Natur. Nichts mehr mit überschwänglicher Romantik. Während wir auf unseren Tee warten, meldet sich unser Magen erneut. Ich sehe Frank an, „Wenn wir hier ein Frühstück bekommen könnten, wäre das okay für dich?“ Warum ich frage? Weil Frank ganz besessen ist nach meinem frühmorgendlich gebratenem Gemüse mit Ei. Kaum erscheint der strahlende gut anzusehende Marokkaner mit unserem Tee, frage ich nach einem Frühstück. Meine Frage löst schiere Freude aus, „Really?! You want have breakfast here?“ „Yes, we want. Really!“, bestätigen wir einstimmig. Der warmherzige Marokkaner sagt, er würde uns ein echtes Berberfrühstück zubereiten, wir sollen uns überraschen lassen. Gerne doch :-) Kaum haben wir unseren Tee ausgetrunken, kommt der Mann zurück mit einer blitzsauberen Tischdecke und ebenso sauberem hübschen Geschirr. Wir fragen ihn, ob das Guesthouse ihm gehöre. Er nickt stolz, erzählt er hätte es erst letztes Jahr mit seiner Frau ausgebaut und eröffnet. Wir loben ihn aufrichtig. Als er wieder verschwindet nehmen Frank und ich das Thema auf. Also das Thema Abwanderung so vieler Menschen von Nordafrika nach Europa. Wir denken, wenn das Heimatland im Kriegsrausch ist, dann nix wie weg. Aber Länder wie Marokko....Sicher es gibt hier Armut. Aber wir haben noch keinen einzigen Menschen hungern sehen. Dazu findet das Leben hier viel auf der Straße statt, in der Gemeinschaft, im Familienverband. Wie muss es für diese Menschen sein nach Europa zu kommen, mit dem Floh im Ohr, das Geld liege bei uns auf der Straße....und dann festzustellen: Ja ich kann mir jetzt jeden Tag mehr als reichlich zu essen kaufen aber dafür fehlt mir meine Familie, fehlt mir das Leben auf der Straße.  Wie ist es denn häufig bei uns? Da glaubt man doch manche Kleinstadt, manches Dorf sei völlig ausgestorben. Da ist niemand - keine alten Menschen auf Stühlen sitzend, keine spielenden Kinder und auch die Altersgruppe dazwischen ist nicht vertreten, keine rum strömernden Hunde, keine den Weg versperrende Esel, keine frei laufenden Hühner. Aus Einsamkeit, Ausgegrenzt - sein  entsteht schnell Trauer, Frustration, Angst und das kann zu sehr schlimmen Handlungen führen.
Uns stört beim Flüchtlingsthema vor allem das starre in schwarz und weiß denken. Ist man für die Politik der Kanzlerin ist man bei den einen der Gutmensch, bei dem anderen naiv und dumm. Ist man gegen dieses bedingungslose, unkontrollierte "Kommt alle zu uns. Wir schaffen das"  ist man ein Nazi. Das stinkt uns gewaltig.  
Aber zurück zu Ait -Benhaddou. Frank und ich ziehen "den Hut" vor Menschen wie diesen jungen Gastwirt bei dem wir nun auf der Terrasse sitzen. Weil er die Ärmel hoch gekrempelt hat. Was macht Menschen auf Dauer zufrieden, glücklich und lässt sie in sich ankommen?! Wir denken, das tägliche Brot und einen eigenen Platz. Zu wissen, hier gehöre ich hin, hier werde ich gebraucht, hier habe ich eine Aufgabe.
Das alte Dorf  Ait-Benhaddou ist mittlerweile ans Stromnetz angeschlossen, es heißt, das einige der Familien die im neuen Dorf leben ins alte Dorf zurück siedeln wollen. Zu wünschen wäre es, auch wenn sich der Weg bis dahin, auf Grund des starken Verfalles der alten Lehmhäuser, als nicht einfach erweisen wird. Auch fehlt es - auf Grund der starken Abwanderung der Jugend in die Städte - an Arbeitskraft und Leidenschaft noch etwas bewirken zu wollen und zu können. Ebenso stellt der nachlassende bzw. ganz ausbleibende Regen ein großes Problem da. So heißt es zumindest. Wir nehmen an, das damit die Häuser absinken und die Risse darin zunehmen. Als weiterer offizieller Grund werden die stetig wachsenden Touristenströme angezeigt. Ein zweischneidiges Schwert. Touristen bringen Geld. Aber täglich hunderte trippelnde Füße und die dazu gehörende Hände die die Häuser berühren....Ja, das fordert halt auch seinen Preis. Ein anderer junger Mann, um die fünfundzwanzig betritt die Terrasse. Wie sein Chef, Bruder, Freund, Cousin …??? strahlt er mit uns und der Sonne um die Wette. Er bringt eine hübsche kleine Thermoskanne mit Kaffee und versucht ein Gespräch mit uns. Nur leider verstehen wir kein Arabisch. Den Kaffee habe ich ganz für mich allein, da Frank Kaffee nicht mag. Oh und wie er duftet, als ich ihn mir einschenke und dann der Geschmack :-) Als nächstes serviert uns eine Frau – die Frau des Gastwirtes, Schwester, Freundin..?? - eine Art Palatschinken mit Honig. Sie lächelt uns an, wir lächeln zurück. Scheinbar haben sich die Menschen hier im Haus abgesprochen, das uns jeder mal bedienen darf. Sind frühstückende Touristen von der Straße so selten, dass wir diese schiere Freude und Neugier auslösen? Sieht irgendwie danach aus.
Sie geht und Mann Nr. 1 erscheint wieder. Er bringt frisch gebratene Eier mit frischer Tomate und eingelegten Oliven. Mann Nr. 1 geht, Mann Nr. 2 bringt frisches Fladenbrot mit Frischkäse und Marmelade. Mann Nr. 2 geht, die Frau erscheint erneut und bringt uns Butter und je ein Glas Orangensaft. Mittlerweile haben wir eine Art Gesichtsmuskelkrampf vom vielen Lächeln. Der kleine Tisch quillt über. Wir sind uns sicher, jetzt kann nichts mehr kommen. Kommt auch nicht, weder noch mehr essen, noch trinken und auch nicht Mann Nr. 1, Mann Nr. 2 oder die Frau des Hauses. Oh, wie lecker alles schmeckt. Selbst Frank der zu den Schnellessern gehört, genießt hier jeden Happen und zieht damit das Frühstück wunderbar in die Länge. Haben uns die Drei beobachtet? Denn kaum lehnen wir uns mit dicken Bäuchen zurück, erscheint der junge Gastwirt des Guesthouses und fragt mit leuchtenden Augen, „Berberbreakfast okay?“ Unsere Daumen gehen nach oben, "More than okay. Very good, super,!"  Jetzt grinst er Frank an, „Druurtmund. Cllub“. Frank fragt, „Hä??“ „Druutmund. Cllub. You look like Cllub“. Frank macht wieder „Hä??“ und zieht mich dann fragend an. Nein, das verstehe ich auch nicht. Der Mann sagt jetzt, „Football“. Aha, macht es bei Frank im Gesicht, „You mean Jürgen Klopp, the football – coach?!“ Unsagbare Freude,„Yes, Yes“.
Ja, das haben wir schon öfters gehört, das mit der Ähnlichkeit. Jedoch in Deutschland. Nicht in Marokko und dazu noch in einem sehr kleinen und sehr altem Dorf.
Ach, ich könnte hier noch ewig verweilen. Frank bittet um die
Rechnung. Wir zahlen 90 Dirham und gehen beschwingten Schrittes zurück in die Gasse. Nichts mehr mit Einsamkeit. Zwerg Nase hat seine Geschichte beendet.  Überall sitzen Händler oder haben ihre Läden sperrangelweit geöffnet,  Maler bieten ihre Künste an, dazwischen schieben sich international Touristen aneinander vorbei Wir sind schon beim Verlassen des alten Dorfes, als sich uns ein Mann mit einem amtlich aussehenden Ausweis um den Hals in den Weg stellt. Erst denke ich, wieder mal einer der eine Geschäftsidee für die eigene Geldbörse entwickelt hat und dafür amtlich tut (zur Erinnerung: Pisten - Zugang in Taouz, da trugen die Leute ein Militärkostüm), erinnere mich aber dann so etwas im Reiseführer gelesen zu haben. Der eine Euro pro Person ist angedacht für Sanierungsarbeiten des Kasbahdorfes. Das zahlen wir doch gern. Wir erreichen den Fluss, spielen dort eine Weile mit Freddy und hüpfen dann über die „Flusssteine“  zurück ins neue Dorf und damit in unsere Auberge.
Ach, ich würde so gerne hier eine weitere Nacht verbringen. Aber Frank will unbedingt noch heute weiter nach Marrakesch. Ich weiß auch nicht, warum es mich so gar nicht dort hinzieht. Dabei verklärten sich einst meine Augen nur bei dem Namen Marrakesch. Aber da habe ich auch noch nichts über die Stadt gelesen. Frank schwärmt vom Zeltplatz Les Relais, vom großen Pool und der Chilloutlounge.
Mir ist die Auberge Les Jardin mit dem kleinen Pool völlig ausreichend. Den ganzen restlichen Tag dort abhängen, abends wieder lecker essen gehen, vielleicht noch mal bei Sonnenuntergang in die Kasbah, im Guesthouse im alten Dorf einen Absackertee trinken, später noch mal mit den Leuten in unserer Auberge trommeln. Ja, das wäre nach meinem Geschmack. Aber eben nicht nach Franks Plan. Wir kommen in der Auberge an, springen in den Pool, legen uns auf die Liegen, springen noch mal ins Wasser, setzen uns auf unsere Stühle am Toyota. Mittlerweile bin ich voller Hoffnung, das Frank sich von der Atmosphäre einlullen läßt und die Zeit vergisst. Zumindest döst er gerade und ich verhalte mich wie das sprichwörtliche Mäuschen. Und setze noch eins drauf. Leise kraule ich ihm den Kopf. Erfahrungsgemäß wird er zwar nicht anfangen zu schnurren  aber fest einschlafen. Wecken tue ich ihn dann ganz bestimmt nicht. Und ob er noch am späten Nachmittag nach Marrakesch fahren will ..... 

2 Kommentare:

  1. Dankeschön Heike, für die erneute Reise ins Märchenreich. Hab ich heute gebraucht und hat mir meine Mittagspause "versüßt".
    Warte wie immer ganz ungeduldig darauf, wie es weiter geht ....
    Liebe Grüße
    Yvonne

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    1. Liebe Yvonne, das freut mich sehr, zum einen deine Neugier auf die weiteren Tage und zum anderen, wenn es meinen Texten gelingt Menschen Energie und Freude zugeben, vor allem dann, wwenn sie es gerade brauchen. Und uns Frauen bauen ja Märchen oder auch nur Märchenhaftes stets sehr schnell auf :-)
      Alles Liebe Heike

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