Montag, 25. Juli 2016

Marokko Reise 2016 - Sonnabend, den 16.04.2016

Heike
Sonnabend, 17. Reisetag
 

Die Wüste ist weiblich, baden in Naturpools mit herrlich klarem und stinkenden Wasser, eine Schranke inmitten der Prärie


Ebenso glücklich und umkuschelt wie wir einschliefen, werden wir kurz vor Sonnenaufgang wach. Wir stehen mit Freddy auf und begeben uns auf Wüstentour zu Fuß. Freddy ist so etwas von glücklich, er rennt schwanzwedelnd

Dünen herauf, um dann bäuchlings, alle vier Pfoten weit von sich gestreckt, wieder herab zu rutschen. Es ist absolut windstill und es ist so, wie Frank prophezeit hat, wunder, wunderschön. Frank und ich sitzen aneinander geschmiegt, genießen uns und unsere Umgebung. Mit Sonnenaufgang zückt Frank die Kamera. Ich bleibe sitzen und meditiere. Auf dem Weg zurück ins Camp zeigt Frank um uns herum, „Verstehst du jetzt, warum es heißt - die Düne, die Wüste?“ „Nein“, erwidere ich, „Ich habe mir darüber noch keine Gedanken gemacht.“ „Schau dir die Formen an. Alles weich und rund. Weiblich. Wie bei dir.“ Er berührt meine Brüste,
Oberschenkel, Po. Ich sehe ihn verdattert an, dass er die Weiblichkeit so sieht, verwundert und berührt mich. „Und das“, so spricht er weiter, „meine ich völlig ohne sexuelle Hintergedanken. Diese Formen sind einfach nur wunderschön.“ Meine Sprachlosigkeit bleibt. Ich frage mich, lieben deshalb so viele Männer die Wüste? Als wir zu unserer zweiten Wüstendurchquerung aufgebrochen sind, meinte Uli mit verglastem Blick, „Ich glaube, ich habe mich in die Wüste verliebt.“ Von anderen Männern weiß ich auch um ihre Liebe
und Sehnsucht nach der Wüste. Wenn alle Männer die Wüste wie Frank sehen, als eine herrliche Anzahl von runden Brüsten, weiblichen Hinterteilen und weichen Bäuchen ….ja, dann wird das sehr verständlich. Das muss für die Männer das reinste Schlaraffenland sein :-) 
Ha...macht es jetzt in meinen Kopf. Dann stimmt es ja doch, das die Mehrzahl der Männer dürre Frauen gar nicht so faszinierend findet, wie uns die Modewelt vorgaukeln will, sondern viel mehr Frauen mit weichen Rundungen. Jetzt macht es, „Oh la la“ in meinem Kopf, denn, wenn hier die Gleichung ist: Männer die die Wüste lieben = lieben Frauen mit weichem Bauch und rundem Po, dann bräuchte doch nur jede Frau ihren Mann in die Wüste zu schicken (damit nimmt der Spruch eine ganz andere Wendung an). Kommt er zurück und ist begeistert, da kann sie ab da an viel beruhigter am Abend ein Stück, zwei Stück, drei Stück ….Schokolade naschen. Wenn nicht, sollte sie wohl besser bei Trennkost, Almased oder was auch immer bleiben. Oder ...viel viel besser, sich einen neuen Mann suchen, einen der die Wüste liebt :-)
Beim Frühstück erzählt Uli von seinem nächtlichen Alptraum. Gisela und er hätten im Lehmzelt mit Bett und Matratze geschlafen und sie wären am nächsten Tag über und über zerstochen erwacht. Da habe wohl nicht nur ich am Vorabend die Flöhe husten hören. Übrigens liegt Freddy wieder im Zelt - Lehmhaus, während wir draußen sitzen. Die „Hütte“ hat es ihm echt angetan. Er bleibt auch dort, als wir
alles einräumen und in unseren Fahrzeugen verstauen. Erst als er merkt: Oh meine Leute steigen ein, kommt er heraus und springt auf seinen Platz. Frank sagt zu Uli, dass er noch mal in ein anderes Dünental fährt. Uli schaut ihn an, nickt und sagt, sie würden schon vor fahren. Ich begreife erst im anderen Dünental, warum wir hier sind. Klorunde für Frank. Als er so mit der Klopapierrolle und Feuerzeug von dannen geht, merke ich, dass auch ich muss. Klar haben wir auch ein Klo, aber in der freien Natur benutzen wir dieses nicht, zumal man hier im Sand die „Wurst“ verbuddeln kann. Für was dann das Feuerzeug? Um das Klopapier anzuzünden, da sich dieses in der Trockenheit der Wüste über Monate nicht zersetzen würde. Was mich nur stört, das Dünental hat sehr wenige Grasbüschel …. hinter dem Größten hockt schon Frank. Also muss ich mir ein anderes Dünental suchen. Wieder im Toyota steuert Frank eine besonders hohe Düne an. Ich halte mich nicht nur am Angstgriff fest, sondern stelle kurzfristig auch das Atmen ein. Auf dem Dünenberg atme ich zunächst heftig aus, wieder ein, halte erneut den Atem an. Wir sehen absolut nichts, was unter uns kommt. Das bedeutet es ist sehr steil. Ich bin überzeugt wir überschlagen uns, als Frank den Toyota nach unten steuert, während ich „Oh, oh, oh, oh, oooooo“ von mir gebe. Unten angekommen, frage ich Frank, ob er dem Wahnsinn verfallen sei. Er grinst, „So schnell kippt der Toyota nicht um.“
Raus aus den Dünen funken wir Uli an, keine Rückmeldung, wir schauen in die Richtung, in die die Beiden bereits gefahren sein müssten, keine Staubwolke. Also fahren wir zu unserem Nachtlager zurück. Aber da ist der Sprinter nicht mehr und wir haben auch hier keine Funkverbindung. Also zurück zur Piste, die uns zum nächsten Ziel bringen soll. Irgendwo muss doch der Sprinter auftauchen. Wir hören abgehackt Ulis Stimme, „Wir haben uns fest gefahren.“ Die Verbindung bricht ab. „Wo kann er sich denn fest gefahren haben?“, fragt Frank mehr sich als mich. Mittlerweile sind wir wieder auf dem Lac Iriki, da gibt es keine Dünen. Wir wenden erneut, suchen einige der nah gelegenen Dünen ab, drehen erneut um. Ein wenig beängstigend ist das schon, keine Funkverbindung mehr zu haben, trotz des weiten Blickes kein Fahrzeug zu sehen und damit nicht zu wissen, wo wir suchen sollen. Einige hundert Meter weiter funktioniert die Verbindung. Frank fragt, „Wo seid ihr?“ Uli antwortet, „Na in Richtung Foum Zguid, wie ausgemacht.“ „Okay“, übernehme ich jetzt das Funkgerät, damit Frank sich aufs Fahren konzentrieren kann, „Wie weit seid ihr von unserem Nachtcamp entfernt?“ „Nicht weit“, kommt die Antwort, höchstens zwei, drei Kilometer.“ Frank und ich schauen uns an, das kann nicht stimmen, denn zwei drei Kilometer können wir einsehen. Auf so plattem Land oder korrekter auf einem See müsste der Sprinter zu sehen sein. Uli meldet sich, „Ich habe die Koordinaten, die gebe ich euch jetzt durch.“ Ich nehme die Koordinaten auf, Frank tippt sie ein, wir fahren in die angegebene Richtung. Zuvor schauen wir auf die Kilometeranzeige. Mit dem Erreichen von Uli und Gisela, sind wir bereits fünf Kilometer gefahren. Damit habe ich die Antwort auf die Frage, was das Messen von Blut im Krankenhaus mit dem Erlernen der Entfernung zwischen Wüstenpausenbäumen gemein hat. Es ist schlicht weg wichtig. Manchmal sogar überlebenswichtig. Uli und Gisela haben sich mittlerweile selbst ausgebuddelt und strahlen uns entgegen. Frank und ich stellen fest, dass es meist so ist. Man bleibt selten stecken im ganz tiefen Sand, stolpert nicht auf gefährlichen Gebirgspfaden, rutscht nicht ab an den steilsten Abhängen, verletzt sich nicht bei schwierigen Skiabfahrten. Es passiert, wenn man nicht damit rechnet, sich bereits in Sicherheit wägt, keine Gefahr mehr wittert, anfängt zu träumen, sich treiben zu lassen, dann, wenn man nicht mehr hoch - konzentriert ist. Ist das Leben nicht im Allgemeinen so? Wie oft zieht es einem die Beine weg, wenn man so gar nicht damit rechnet?! Und so haben sich Uli und Gisela in einem kleinen Sandhügel auf dem Lac Iriki festgefahren. Wir überqueren weiterhin den See, mal mit siebzig km/h, dann wieder nur mit zwanzig km/h. Je nachdem, ob der Boden glatt ist, mit kleinen Dünen überzogen oder der Boden eingerissen ist, sodass sich Erdschollen übereinander schieben.
Mit dem Verlassen des Sees beginnt die Hammada, die Steinwüste und damit auch die Wellblechpiste, die ich so gar nicht mag, weil Fahrzeug und Insassen erbarmungslos durchgeschüttelt werden. Da ich mittlerweile fahre, teste ich mehrere Pisten aus. Es ist so, wie Frank schon im Erg Chebbi sagte, „Die anderen Pisten sehen nur solange besser aus, bis du auf ihnen fährt.“ Auch so eine Lebensmetapher. Mag sein, dass das Leben des Anderen besser, interessanter, erfüllter oder glücklicher wirkt. Lebst du es dann aber selbst, wirst du feststellen, dass ein Naturgesetz keine Ausnahme kennt – dort wo Licht existiert, wird es auch immer Schatten geben. Oder mit den Worten der Schamanen: Urteile erst über einen Menschen, wenn du eine ganze Mondphase hindurch seine Mokassins getragen hast.“ Kurzum lerne sein Leben und seine Geschichte kennen. Frank und ich finden, dass es danach nur noch selten was zum (ver)urteilen gibt. Aber zurück zum Fahren auf der Wellblechpiste. Mal fahre ich ganz langsam, dann versuche ich das mit dem drüber weg gleiten, also auf 80km/h beschleunigen. Gelingt mir nur nicht, ich erreiche 40km/h und denke unser Fahrzeug fällt auseinander. Frank sitzt relativ entspannt neben mir, sagt, es wäre auch mal schön sich zurück zu lehnen und die Landschaft genießen. Auch hätte er volles Vertrauen in meine Fahrkünste. Ja, da lacht mein Herz :-) „Schau mal“, zeigt er jetzt auf einen kleinen Berg, „Da oben scheint ein kleines Wüstencafe zu sein. Lust auf einen Tee?“ Ich schaue den Berg hinauf und die Auffahrt an, denke: Oh jemine, ganz schön steil und dazu voller Geröll. Aber zum Tee trinken hätte ich schon Lust. „Gern“, antworte ich und Frank sagt, „Na, dann, abbiegen, ersten Gang einlegen und ...“ , „nicht vom Gas runter“, vollende ich den Satz. Unser Toyota wird immer langsamer, kurz vor der Bergkuppe spüre ich mal wieder das Bodenblech unter meinem Gas gebenden Fuß. Uli meldet über Funk, „ Das ist uns erheblich zu steil. Wir parken unten und kommen hoch gelaufen“. Die Teestube mit Ausblick entpuppt sich als Militärstützpunkt. Also ganz schnell wieder weg. Frank meldet über Funk, „Hier gibt es keinen Tee. Wir kommen wieder runter.“ Vor lauter Schreck wähle ich die Piste, die der Schnauze des Toyotas am nächsten ist. Der patrouillierende Mann vom Militärstützpunkt sieht uns jetzt nicht mehr nur finster an sondern auch äußerst skeptisch. Ich nehme all meinen Mut zusammen, lehne mich aus dem Fenster und frage, ob man da herunter fahren könnte. Erst werde ich gemustert, dann unser Fahrzeug. Die Antwort kommt als zögerliches Nicken. Jetzt frage ich Frank, ob er nicht lieber fahren will. Er schüttelt mit dem Kopf, „Du machst das schon.“ Also gebe ich Gas, der patroulierende Mann nimmt Stellung ein am Rand der Abfahrt. Das Frank kurz darauf hörbar die Luft anhält, werte ich als sehr beunruhigendes Zeichen. Die Abfahrt ist nicht nur steiler wie die Auffahrt sondern so arg ausgewaschen, dass man in den Löchern Kamelfohlen verstecken könnte, wenn nicht gar am Euter ihrer Mütter. Okay, letzteres ist übertrieben. Ich jammere, „Das schaffe ich nie“. Frank zischt, „Zu spät! Schalte die Untersetzung ein und wage dir nicht die Kupplung zu treten!“ Untersetzung bedeutet, dass die Motorbremswirkung erhöht wird, das weiß ich bereits. Warum ich die Kupplung nicht treten darf, weiß ich nicht. Nachfragen ist gerade sehr ungünstig. Mein linker Fuß will die Kupplung treten, parallel dazu will mein rechter Fuß auf die Bremsen steigen. Frank atmet weiterhin nicht flüssig, sein Nicht die Kupplung treten schwirrt bedrohlich durch die Fahrzeugkabine. Kurzer Blick auf Frank, Oh, Oh, Oh, ich habe augenblicklich meine Füße unter Kontrolle.
Meine Hände packen das Lenkrad stärker an, jedoch nicht so hart, dass ich nicht mitbekomme, was das Fahrzeug macht. Kaum unten funkt uns Uli an, „Mensch Frank, das war ja eine spektakuläre Abfahrt. Gisela und ich haben uns kaum getraut zu atmen.“ Frank funkt zurück, „Die Abfahrt war in der Tat nicht ohne.“ Einige Kilometer später halten wir an, um ein paar Fotos zu knipsen. Erst da bekommen Uli und Gisela mit, dass ich am Steuer sitze. Ihr Erstaunen und ihre Anerkennung gehen runter wie Öl. Wieder mit Frank allein frage ich nach, „Warum durfte ich die Kupplung nicht treten? Das ist doch ganz normal, das man bremst und gleichzeitig die Kupplung tritt, damit das Auto nicht abgewürgt wird.“ „Überlege doch mal“, erwidert Frank, „Wenn du die Kupplung nicht trittst bremst der Motor mit und es bewegen sich immer die Räder.“ Frank sieht die Fragezeichen auf meiner Stirn. „Also“, setzt er geduldig an, „ Wenn du die Kupplung trittst, hebst du die die Bremswirkung des Motors auf. Bei so einer steilen Abfahrt, die du vorhin runter bist, reicht das aus, dass das Fahrzeug Ruck zuck eine irre Geschwindigkeit entwickelt. Dazu ist die Wahrscheinlichkeit hoch das auf Grund des starken Gefälles und des losen Untergrundes die Räder blockieren, dann, wenn du die Kupplung trittst und gleichzeitig bremst. Blockieren die Vorderräder wird das Fahrzeug unlenkbar, blockieren die Hinterräder bricht das Fahrzeug aus.“ In mir entstehen Bilder. Der Toyota der auf der schmalen Abfahrt ausbricht und mit irrer Geschwindigkeit bergab düst. „Frank bindest du mir gerade einen Bären auf?“. Noch bevor Frank antwortet, weiß ich das ich den Bären vergessen kann. „Nein, Heike. So funktioniert Offroadfahren ohne elektronische Hilfen.“ Ich nicke als hätte ich alles verstanden. Keine Ahnung, ob ich je wieder so einigermaßen entspannt einen Abhang herunter fahre. Naiv jedenfalls nicht mehr.
Wir nähern uns dem Ende der einhundertsiebzig Kilometer langen Wüstenpiste. Wehmut erfüllt mich. Wenn es nach mir ginge (was es ausgerechnet jetzt nicht geht) würde ich wieder umkehren, und noch ein, zwei Tage mehr in der Wüste bleiben. Fast am Ende der Piste, starren Frank und ich nach vorn. „Ist das eine Schranke?“, fragt Frank. Nickend erwidere ich, „Das ist doch ein Witz.“ Das muss man sich mal vorstellen. Die Weite hier wird begrenzt von Bergen, das „Tal“ dazwischen ist um die fünfzehn Kilometer breit und dann mittendrin eine rot weiß gestrichene Schranke, mit einem kleinen Häuschen daneben. Egal ob LKW, Bus, Auto, Moped, jedes Fahrzeug könnte die Schranke mehr als mühelos umfahren. Wir halten drauf zu. Schade das es in Marokko verboten ist jegliche Personen, Fahrzeuge, Einrichtungen von Militär und Polizei zu photographieren. Heimlich ein Bild schießen? Ach nein, lieber nicht. Aus dem Häuschen tritt ein bewaffneter Uniformierter. Er lässt uns anhalten, mustert uns, öffnet schließlich die Schranke, um sie gleich wieder hinter uns zu schließen. Wir haben in Marokko ja schon einiges erlebt, Begebenheiten mit denen wir nicht rechneten und die auch noch sehr unglaubhaft daher kamen. Der Ziegenhirte an der Autobahn, das Tee trinken in der Kate eines Schäfers, die Schulklasse mitten im hohen Atlasgebirge, der Esel der in den Dünen des Erg Chebbi Freddy den Kampf ansagte, die Katze die von einem deutschen Schäferhund durch die marokkanische Wüste gejagt wurde, Marathonläufer in der Wüste, Nomaden die stundenlang ausharren, in der Hoffnung auf ein kleines Geschäft, große Kamelherden, riesige Herden von Ziegen und Schafen in sehr unwirtlichen Gegenden. Aber eine Schranke in der Prärie das ist die Krönung. Der Sprinter der ca. drei Kilometer hinter uns ist, kommt in einer Staubwolke näher. Am liebsten würde ich hier stehen bleiben, nur um die Gesichter von Uli und Gisela zu beobachten. Aber Frank meint, das sei keine gute Idee. Kurz vor der Teerstraße halten wir an. Die Luft, die wir vor Antritt der Pistenstrecke abgelassen haben, muss wieder rauf auf die Reifen. Meine Augen starren erneut. Diesmal Richtung Teerstraße. Sehe ich das richtig?! Stehen da wirklich zwei westliche Tramperinnen? Während der Sprinter langsam näher rollt, bewegen sich die zwei Mädchen um die zwanzig ebenfalls in unsere Richtung. Das eine Mädchen spricht uns in Deutsch an, fragt, ob wir sie mitnehmen könnten, Richtung.....Uli, Gisela, Frank und ich sprechen uns ab. Okay, die Mädchen fahren im Sprinter mit, ihr Gepäck bei uns im Toyota. Leider nur für fünfzig Kilometer, denn dort ist unser heutiges Etappenziel. Während die Männer sich weiter darum kümmern ausreichend Luft auf die Reifen zu bekommen, fragen Gisela und ich die Mädchen aus. Sie haben sich in Barcelona getroffen, sind mit der Fähre nach Marokko gekommen, trampen hier durchs Land und übernachten per Couchsurfing. Die eine kommt aus Berlin und ist bereits bis Barcelona getrampt, die andere ist Amerikanerin und ist bis Barcelona geflogen. Ihr Motto, möglichst wenig bis kein Geld ausgeben. Ich sehe die Beiden nur staunend an. In der ganzen Zeit in der wir uns unterhalten ist bisher gerade mal ein LKW die Straße entlang gekommen. Das bedeutet stundenlanges Warten bei 36 Grad ohne Schatten. Ich frage nach und erfahre, hier am Ortsausgang von Foum Zguid stehen sie bereits seit anderthalb Stunden. Frank ist mit dem Luft aufpumpen als erstes fertig, damit fahren wir schon los. Ich bitte ihn noch einmal anzuhalten und gehe zu dem deutschen Mädchen zurück. „Keine Bange, eure Rucksäcke sind bei uns in guten Händen. Wir fahren nur vor.“ Erleichterung in den Augen. Ja, das kenne ich, als Tramper ist man äußerst besorgt um seinen Rucksack. Auf dem Rückweg von Bulgarien, in Bukarest haben meine Freundin Simone und ich unseren Rucksack eingebüßt. Wir trampten weiter, jeder Autofahrer der uns mitnahm, fragte, „Bagasch?!“, also nach unserem Gepäck. Wahrscheinlich löste unsere Antwort, „Zappser Rapp“, geklaut, Mitgefühl aus, denn wir wurden sehr oft zum Essen eingeladen. Übernachtungsplätze wurden uns ebenfalls angeboten, die wir von vertrauenswürdigen Menschen auch annahmen. In Budapest bekamen wir neue Sachen geschenkt. Kurzum, bei Simone und mir ging damals alles mehr als gut aus. Aber davon ausgehen kann man nie. Auf den fünfzig Kilometern bis zum Qued Tissint, zehn Kilometer vor dem Ort Tissint, begegnen wir gerade mal drei Fahrzeugen. Keine lukrative Straße für Tramper. Wir laden die Rucksäcke aus, warten auf den Sprinter, wünschen den Mädchen viel Glück und biegen zum Fluss ab. Denn dort, so sagt Frank, hätte der Fluss 
viele kleinen Wasserfälle und Naturpools, in denen man herrlich baden könnte. Also ehrlich gesagt, ich glaube das ja nicht. Bisher waren schließlich alle Flüsse ausgetrocknet. Kurz darauf parken wir ein. Der Fluss führt Wasser aber viel scheint das nicht zu sein. Mit dem Aussteigen spüre ich eine Art von Bockigkeit in mir. Ich will nicht in einen Rinnsal von Fluss springen, ich will zurück in die Wüste. Frank nimmt seine Badehose und das Handtuch, lacht mir zu und sagt, „Nun, komm schon.“ Ich trotte hinter ihm her, weigere mich mit in den Fluss zu gehen, motze rum, das es hier nach Schwefel riecht, verleiere die Augen als Frank sagt, das käme vom fossilen Wasser, beschwere mich, dass es keinen Schatten gäbe, sage dann auch noch, „Es ist blöd hier.“ „Was hier?“ Frank schaut erst mich an, dann um sich herum. In seinem Blick Fassungslosigkeit, Traurigkeit und Enttäuschung. Ich setze noch eins drauf, „Ja!“ Frank tut daraufhin das einzig richtige. Er schüttelt sich und plantscht weiter mit Freddy herum, während ich am Rand sitze und schmolle. In dieser verbalen Ruhe erreicht mich der Charme des Ortes. Wir sind noch immer in der Wüste, sitzen an einem Fluss mit klarem, wenn auch stark nach Schwefel riechenden Wassers, es gibt etliche hübsche Naturpools und Felsen, an die ich mich anlehnen kann und die mir ein wenig Schatten schenken. Frank kommt aus dem Wasser, 
geht zum Toyota und kommt mit einem Picknick und Decke zurück. Ich umarme ihn und entschuldige mich für mein mir selbst nicht so ganz erklärbares Verhalten. Wir essen Salat, Fladenbrot und Nüsse, danach gehen wir gemeinsam baden. Oh, wie herrlich. Der Geruch?! Ist doch egal :-) Mittlerweile sind auch Gisela und Uli im und am Fluss und es gibt nun, wo die Sonne tiefer steht, auch mehr
Schattenplätze. Frank und ich kuscheln uns auf der Decke aneinander, müde und verwundert darüber, dass unser Freddy sich weigert zu uns in den Schatten zu kommen. Stattdessen lieber ein ausgiebiges Sonnenbad mit seiner Ente hält. Nach unserem Schläfchen erzählt uns Uli, er hätte weiter unten noch einen schöneren Naturpool entdeckt, in den man sogar springen kann und der einen Wasserfall mit eingebauter Liege hätte. Den probieren Frank, Freddy und ich sofort aus. Und wir trauen uns weiter. Wir schwimmen bis zum Ende des Naturpools, klettern dort heraus, laufen über Steine bis wir wieder ins Wasser gelangen, diesmal in eine Art Kanal durch Felsen hindurch. Es ist so eng, das wir kaum Schwimmbewegungen durchführen können aber müssen, da das Wasser tief ist. Ein wenig gruselig ist das schon, befinden wir beide. Denn erstens wissen wir nicht, wann und wo hört der Kanal auf und zweitens, was gibt es hier vor Wasserlebewesen. Der kalte Kanal geht über in einen kleinen warmen See. Es ist traumhaft. Wir schwimmen bis zum Ende, krabbeln dort heraus, laufen ein Stück, schwimmtechnisch geht es leider nicht weiter. Also zurück. 


Wir bleiben bis zum Abend am Fluss, badend, dösend, lesend, schreibend. Dann ist es Zeit das Abendbrot zubereiten. Heute gibt es, nein nicht Couscous mit Gemüse sondern Reis mit Gemüse. Und zum Nachtisch? Natürlich :-) Apfelsinenscheiben mit Zimt bestreut. Im letzten Licht der untergehenden Sonne suchen wir Feuerholz, finden aber nur abgestorbene Palmenwedel. Die Männer entfachen das Feuer, wir Frauen richten alles für die Teezeremonie her. Es wird unsere letzte gemeinsames Tee trinken in Marokko sein. Morgen trennen sich unsere Wege. Der Sprinter fährt in Richtung Atlantik, wir Richtung Marrakesch. Aber darüber machen wir uns jetzt keine Gedanken. Wir genießen die Nacht am Feuer, unsere Gemeinschaft und den sternenklaren Himmel.

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