Dienstag, 19. Juli 2016

Marokko Reise 2016 - Freitag, den 15.04.2016 Teil II

Heike
Freitag, 16. Reisetag - Teil II

Sandsturm in der Wüste & Übernachtung im verlassenen Beduinencamp

Mit dem Essen der vielen Erdnüssen werde ich satt und bequem. Da vergesse ich doch glatt weg weiter abzuzählen – weiter fahren, hier bleiben, weiter fahren, hier bleiben. Ich freunde mich mit dem Gedanken an in einen der Zelte zu übernachten und den Abend in der Chillout – Longe zu verbringen, doch dann kommt der Betreiber zurück und nennt uns seinen Preis. 35 Euro Abendessen pro Person oder das Paket - Übernachtung, Abendessen und Frühstück für 100 Euro pro Person. Das wäre bereits ein Spezialpreis, da normalerweise hier keine Touristen einfach so vorbei kämen und nach einer Übernachtung fragten. Üblicherweise erfolgt die Buchung in einem Reisebüro in Marrakesch und die Touristen kämen dann auf Kamelen oder in einem marokkanischen Geländewagen mit Fahrer hier an. Gesamtpreis beliefe sich dabei auf 180 Euro pro Person. Keiner von uns lässt sich den Schock anmerken, der von dieser Touristen - Abzocke
ausgelöst wird (auch wenn der Preis, wie wir später googlen, für so eine „Safari“ üblich ist). Stattdessen fragen wir, ob das Camp ganzjährig geöffnet sei. Der Mann nickt. Und ich denke, Wow ...im Sommer bei 50 Grad möchte ich hier nicht sitzen.
Laut sage ich, „Also, wenn es nach mir geht, würde ich gern noch ein Stück weiter fahren. Sonst haben wir morgen so viele Kilometer vor uns.“ Gisela pflichtet mir bei. Uli und Frank tun so, als wäre es ihnen einerlei. Das nehme ich ihnen jedoch nicht ab, pro Paar 200,- Euro ausgeben....Das würde dem männlichem Herzen ebenso schmerzen wie dem weiblichen. Nur, für was Frau oder Mann die eingesparten 200,- Euro ausgeben würden...ja, da allein liegt der Unterschied. Wir wollen bezahlen, doch der Mann schüttelt den Kopf, nein, wir wären zum Tee eingeladen. Kein Bedrängen da zu bleiben sondern ein respektvolles Händeschütteln und ein Inschallah, vielleicht übernachtet und esst ihr ja das nächste Mal bei mir.
Ich bin sehr froh, dass unsere Reise weiter geht, nicht nur wegen dem Geld sondern, weil das heutige Abendlicht so voller Schönheit und Mystik ist. Die ganze Landschaft ist in dieses warme, orangefarbene Licht gehüllt. Dazu Musik von Eric Clapton im Wechsel zu mystisch arabischer Musik – Ja, schöner geht es nicht. Zunächst geht es weiter durch einen „Wald“ der Baumbüsche. Was das ist? Also den Namen kenne ich nicht. Ich weiß nur, dass diese Baumbüsche mit den dickfleischigen Blättern gerade blühen und das die späteren Früchte wie kleine gelbe Melonen oder Kürbisse aussehen und äußerst giftig sind für den Menschen und für alle Tiere, bis auf eines – der Gazelle. Auch gibt es wieder diese Art von Kiefern, hier sind sie allerdings von etlichen Stürmen verformt und damit sehr wunderlich anzusehen. Dazwischen etliche Kamelstuten mit ihren Fohlen.
Immer wieder halten wir an, verzaubert, erstaunt, fasziniert. Bewirkt das Licht, was jetzt geschieht? Denn Uli sieht plötzlich vier Kamele, wo keine sind, Frank hält Ziegen für Esel und ich ertappe mich wie ich allen Ernstes für einen kurzen Moment denke, „Wow, das sind ja Dinosaurier“. Ob wir Alkohol getrunken hätten? Nein, den gibt es hier doch nicht. Dehydriert? Nein, das sind wir auch nicht. Warum wir dann solche „Wahnvorstellungen“ haben? Wahrscheinlich, weil es sich hier mit den Proportionen von Tieren, ähnlich mit der Entfernungsangabe auf plattem Land oder Wasser verhält. Man kann sich leicht verschätzen. Frank kennt das Phänomen bereits von der Wüste in Algerien. Er ist dort mit Freunden auf einen fremdartig aussehenden Hügel zugefahren, von dem sie annahmen, er wäre um die zehn Meter hoch und um die 500 Meter von ihnen entfernt. Sie fuhren Kilometer um Kilometer, der Berg wuchs und wuchs. Nach zehn Kilometern standen sie am Fuße des „Hügels“, der die Form einer Pyramide hatte und tatsächlich um die fünfzig Meter hoch war. Frank ist Gerüstbauer, wenn er sagt, es sind fünfzig Meter dann sind es fünfzig Meter. So wie die Fleischereiverkäuferin exakt zweihundert Gramm von der Leberwurst abschneidet, wenn dieses der Kunde wünscht und die Waage das Gewicht dann nur noch bestätigt. Okay, das erkläre aber noch immer nicht, warum Uli Kamele sieht, wo überhaupt keine Tiere sind. Stimmt. Tja, alle Rätsel sind halt nicht lösbar.
Die Sandpiste wird breiter und tief sandiger, die Motoren des Toyotas und des Sprinters haben hier ganz schön zu tun … zweiter Gang, schwimmend, schnaufend, nur nicht vom Gas runter. Weitere zehn Kilometer weiter werden die Dünen kleiner und der Boden fester. Wir haben den Lac Iriki erreicht, ein riesiger ausgetrockneter Salzsee, ca. 50 Kilometer im Durchmesser. Stellenweise können wir mit siebzig km/h über den See fahren (klingt faszinierend, angesichts der Tatsache das bisher nur Jesus über Wasser gehen konnte :-)) Uli fragt über Funk, „Auf welchem Planeten sind wir hier eigentlich?“ Ja, denke ich, falls die Mondlandung tatsächlich getürkt ist, dann haben sie das Ganze hier gedreht. Kurz darauf halten wir an. Es ist kurz vor 20 Uhr, die Sonne geht bald unter. Wir müssen zügig einen Übernachtungsplatz finden. Hier inmitten des Sees, dem Wind ausgesetzt und voll auf dem Präsentierteller? Oder fünf Kilometer Richtung Osten fahren, um im Schutz der Dünen zu campieren? Nur sieht es dort aus, als würde ein regelrechter Sandsturm toben. Diesmal verkreuze ich die Arme. Ich werde diese Entscheidung nicht treffen. Frank schaut mich musternd an, sagt dann, „Ich denke, wir sollten zu den Dünen fahren.“ Uli nickt, Gisela ebenso. Also steigen wir wieder ein und halten auf die Dünen zu. „Ich glaube, du hast dich mit deinen fünf Kilometern verschätzt“, sage ich zu Frank, „Die Dünen weichen ja immer mehr zurück, als das wir ihnen näher kommen.“ „Das wirkt durch den stärker werdenden Sandsturm so“, erwidert Frank, „Laut GPS sind es ab jetzt noch drei Kilometer.“
GPS und Mann behalten Recht. Frank funkt, „Wartet hier, wir suchen in den Dünen nach einem guten Übernachtungsplatz.“ Ich halte mich am Angstgriff fest und es geht Düne rauf, Düne runter, Düne rauf, Düne runter. Es ist gespenstisch, da Himmel und Dünen mittlerweile die gleiche Farbe angenommen haben, alles ist durch den herum wirbelnden Sand in Ocker gehüllt. Wir entdecken in zwei Dünentälern je ein verlassenes Beduinencamp. Frank entscheidet, „Wir übernachten in diesem Camp hier. Erstens, weil hier der Sprinter hin kommt. Zweitens, wenn der Sturm noch schlimmer wird, können wir in einem der Lehmzelte übernachten.“ Ich nicke und denke, damit ist der Geisterfilm komplett. Denn so ein verlassenes Camp wirkt nicht nur gruselig. Es ist gruselig. Bettgestelle aus Metall liegen hinter den Hütten, die Teppiche die als Zelttür dienten sind zerschlissen, umgekippte Stühle und kaputte Tische liegen auf dem Platz vor den Zelten herum. Frank funkt Uli und Gisela an. Kurz darauf parken sie neben uns ein. Bevor wir die Fahrzeuge verlassen, binden wir uns Tücher um Kopf, Nase und Mund. Mit der Sonnenbrille, die unsere Augen vor dem Sand schützen soll, sehen wir fast gar nichts mehr. „Das ist so etwas von unheimlich hier“, sagt Gisela, und Uli fügt hinzu, „wie in einer Gespensterstadt, echt toll.“ Wir begutachten zunächst das Hauptzelt, indem wahrscheinlich die Speisen angerichtet wurden, dann die drei vorhandenen Schlaf – Lehmzelte. In dem einen steht das Metallbett inklusive Matratze noch drin. Gisela sagt, „Ihr könntet doch hier schlafen.“ „Auf keinen Fall“, erwidere ich. Schon allein bei dem Gedanken fängt es mich an zu jucken. Wir entscheiden uns bezüglich Abendbrot gegen das Hauptzelt, auch wenn dieses geräumiger ist, denn Dach und Wände sind hier aus Bast und damit pfeift der Wind durchs „Haus“ und gibt recht unheimliche Laute von sich. Wir räumen unsere Tische und Stühle in eins von den zwei leeren Lehmhütten, also in ein Zelt ohne Bett. Die Teppiche auf dem Boden und die Tücher unterm Dach wirken hier am passabelsten. Unser Freddy der auf der heutigen Wüstenpistentour eine neue Strategie entwickelt hat, er klemmte sich mit seinem Hinterteil hinter meinem Sitz, verbog sich in der Mitte, so das Vorderpfoten und vor allem Gesicht in Fahrtrichtung zeigten, springt entspannt aus dem Toyota, zieht angesichts des Windes den Schwanz ein und ist innerhalb von Sekunden im Lehmzelt verschwunden. Das Zelt scheint ihm mehr als zu gefallen, denn er liegt dort genüsslich ausgestreckt auf dem Teppich und rührt sich so gar nicht mehr, sodass wir während wir kochen, um ihn herum balancieren, zumal die Hütte keine fünf Quadratmeter misst. Ganz schön eng für vier Erwachsene, einen Hund, Kochtisch, Essenstisch und vier Stühle. Wir Menschen fühlen uns recht schnell wie in der Sauna. Von den Lehmwänden wird viel Wärme abgesondert, während es draußen kühl ist. Dazu gibt es warmes Essen, Couscous mit Gemüse. „Also von schön kann man hier nicht reden“ werfe ich in die Runde. Uli grinst, „Ich komme mir vor wie auf dem Mond.“ Frank der meinen Blick nach draußen gefolgt ist, sagt, „Wartet mal ab, wenn morgen früh die Sonne wieder scheint, wie schön es sein wird. Dann heben sich die ockerfarbenen Dünen von einem strahlend blauen Himmel ab.“ „Hoffentlich“, sage ich, „denn derzeit sind Düne, Boden, Himmel alles eins. Wenn die Lehmhütten hier nicht stehen würden, könnte man glatt weg die Orientierung verlieren und in den Himmel hoch marschieren.“
Später fragt mich Frank, ob er unsere Isomatten in die andere freie Lehmhütte legen soll oder ob wir im Dachzelt schlafen wollen. Meine Entscheidung fällt mir so etwas von leicht, da brauche ich auch keine „innere Waage“. Ich sage, „Selbst wenn uns der Wind aus dem Dachzelt bläst, will ich genau dort schlafen.“ Der Gedanke auf alten Teppichen zu schlafen, nur mit einem zerschlissenen Teppichvorhang von der Außenwelt getrennt, unter dem spielend leicht Schlangen und Skorpione hindurch kriechen können – Nein, Nein, Nein. Freddy sieht das ganz anders. Das erste Mal auf Reisen müssen wir ihn überreden, bedrängen, ziehen mit uns ins Auto zu kommen. Er findet die Teppiche, die Wärme, die Enge der Hütte einfach nur super hundeschön. Warum wir ihn dann dort nicht schlafen lassen? Zum einen wegen der möglichen Schlangen, zum anderen, wenn sich nachts oder gegen Morgen jemand unseren Fahrzeugen nähert, würde Freddy diesen als Eindringling ansehen und sein Revier und sein „Rudel“ verteidigen. Ja, was haben denn andere Leute an unseren Fahrzeugen zu suchen? Mm....was haben wir hier zu suchen? Auch, wenn das Camp verlassen wirkt, womöglich gehört es doch jemanden.
Der Wind faucht, das Dachzelt schwankt, Frank und ich liegen umkuschelt und glücklich in unseren offenen Schlafsäcken. Es ist sooooo schön hier zu sein.

2 Kommentare:

  1. Eure Baumbüsche sind sogenannte Dornbüsche, die besonders gern im Erg Cheggaga unterhalb der großen Dünen wachsen, bevor man auf den Lake Iriki fährt. Wir haben dort schon mal mitten in den Dornbüschen während eines Sandsturms gecampt. Die Büsche haben viel Sand abgehalten.

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    1. Hallo Heinz. Ganz lieben Dank für die Aufklärung :-)
      Liebe Grüße von Heike & Frank & Freddy

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