Sonntag, 19. Juni 2016

Marokko Reise 2016 - Mittwoch den 13.04.2016

Heike
Mittwoch, den 13.04.2016, 14. Reisetag
  
Die beliebteste Offroadpiste Marokkos, Fatamogana´s und wahr gewordene Träume

Waren es meine Gedanken von gestern Abend, bezüglich der giftigen Tiere? Jedenfalls muss ich Pipi mitten in der Nacht. Unser Klo ist unter uns. Eingebaut! Wir müssen zwei Veriegelungen und damit zwei Bretter lösen, um an den Thron zu kommen. Das funktioniert nicht leise. Wenn Frank wach wird. ….hat er freie Sicht hinunter aufs Klo. Bei Kleinohrhasen gibt es so eine Szene, wo sie auf dem Klo sitzt und die Tür nicht schließen kann, er wach wird, sich aufrichtet, freien Blick auf Frau.....Frauen wissen jetzt, was ich meine. Das geht gar nicht. Männer fragen, „Was soll denn daran ein Problem sein?!“ Normalerweise, wenn mir das mit dem Pipi müssen nachts passiert, gehe ich raus, barfuß. Aber in der Wüste - keine gute Idee. Wüstenschuhe anziehen?! Mm....sehr umständlich. Dann allein nachts mitten in der Wüste – wenn ich mich direkt neben den Toyota hocke, hätte das ja bei einem Dachzelt auch wenig Sinn. Also Klo und hoffen....Hat geklappt, Frank schläft weiter. Ich sehe mir wieder im „Bett“ die Sterne an. Dieser Himmel in der Wüste – da möchte ich am liebsten die ganze Nacht wach liegen. 



Vor dem Sonnenaufgang stehen wir auf. Ach, es ist so schön hier :-). 
  
 




Ohne vom Frühstückstisch auf zu sehen, sagt Uli, „Er ist wieder da“. Wir anderen wissen sofort, wen er meint. Aha, der Nomade. Wir essen zu Ende, räumen auf und packen alles ein, während der Nomade im dunklen Umhang auf seiner Düne zehn Meter von uns entfernt sitzt. Ist schon komisch, so beobachtet zu werden. Kurz vor der Abfahrt gehen Uli, Gisela und ich zu ihm. Er breitet seine wenigen Waren aus. Ich will etwas kaufen, weil ich seine Geduld so faszinierend finde. Allein die Stunden, die er gestern Abend auf uns gewartet hat und dann wieder heute Morgen. Als Westlerin fällt es mir schwer mich in seine Situation hinein zu versetzen. Für wenige Euros so viel Aufwand?! Natürlich weiß ich, die Menschen hier sind arm. Ich weiß auch, Internet und Touristen geben einen Einblick in unsere Welt. Ich muss an die Zeit der DDR denken, wer Westfernsehen sehen konnte und Westpakete erhielt, bekam auch einen Einblick in den „reichen“ Westen. Manche wird es neidisch gemacht, andere mögen sich gegeißelt haben – wie komme ich nur an mehr, von den schönen Sachen. Die meisten sahen es entspannt. Es war halt so, wie es war. Die Zufriedenheit war definitiv höher, das sich freuen können – ebenso.
Frank der noch die übrig gebliebenen Feuerpalmenwedel auflud, kommt hinzu. Der Nomade erstrahlt übers ganze Gesicht. Liegt es daran, dass Frank sich ebenso langsam und bedächtig annähert, wie es die Menschen hier tun? An seinem Gruß „Salam“? Oder, weil er sich dabei mit der Hand aufs Herz fasst, eine typische islamische Geste?
Zu diesem Zeitpunkt weiß ich schon, was ich will. Zwei Bergkristall – Hälften, die zusammen gesetzt einen ovalen Stein ergeben. Dazu einen Steinanhänger mit Lederband. Ich zeige darauf und gehe weg. So ein Einkauf ist super. Aussuchen, dem eigenen Mann und dem Verkäufer zeigen, was das Herz begehrt und sich dann aus dem Staub machen. Ich mag nun mal nicht handeln. Die Männer hier mögen keine Geschäfte mit Frauen. Für mich passt das perfekt zusammen. Ob ich nicht wissen will, was es kostet? Ehrlich gesagt, nein. Ich vertraue da Frank und dem Nomaden. Die Beiden werden schon einen guten Preis aushandeln. Für beide Parteien.
Bevor wir das Erg Chebbi hinter uns lassen, fahren wir auf einen Aussichtshügel. Also Frank fährt, ich sitze staunend daneben. Erst aus den Dünen raus, Sandpiste, dann eine recht steile Auffahrt. Oben breiten wir eine Decke aus und genießen den Ausblick. Ich spüre, wie ich wieder in meinem Traum bin. Es ist so ein irres Gefühl zu wissen, er ist real. 250 km Piste liegen vor uns. 250 km durch eine
atemberaubende Natur. 250 km durch Sand- und Steinwüste, entlang ausgetrockneter Flüsse, über versandete Seen. 250 km mehr oder weniger Einsamkeit. Ob ich da keine Angst bekomme? Nein. Ist es das Phänomen Reisen – dass das Urvertrauen wieder weckt?! Ich kenne das von Asien. Da fragten mich auch viele, hattest du keine Angst so allein mit den Kindern unterwegs, in so entlegene Gebiete? Nein, auch da nicht. Mir fällt eine Begebenheit ein. Eine von der Art mit Botschaft, deren Bedeutung man erst nach und nach erfasst. In Thailand bei einer Dschungeltour mussten wir einen Fluss überqueren. Mittels eines umgestürzten Baumes, Durchmesser ca. 40 cm. Zehn Meter Breite, drei Meter Tiefe. Gedanken gingen durch meinen Kopf: Wenn hier jemand abstürzt, auf einen Stein im Fluss aufschlägt.....Da die Tour geführt war, beobachtete ich den Guide. Wie geht er mit der Verantwortung um? Wie motiviert er die Menschen hinüber zu laufen? Mag sein, dass ich mir das einbildete. Jedenfalls bemerkte ich bei ihm ein unerschütterliches Vertrauen, das keinen Raum zuließ für negative Gedanken. Unter dem Motto: Fixiere dein Ziel und geh los. Es heißt unsere Gedanken sind eine große Kraft, unsere Vorstellung ebenfalls. Bilder schossen durch meinen Kopf, wie der Guide in Gedanken jeden einzelnen von uns sicher auf der anderen Seite „aufstellt“. Die Vorstellung des Guide schien übergreifend. Jeder stoppte kurz, zögerte und lief dann ohne Gezetere hoch konzentriert los und hinüber.
Angst, so sehe ich es, ist ein gefräßiges Tier. Füttere es und es will mehr. Machst du das eine nicht, weil es dir Angst bereitet, wird schnell etwas anderes folgen - irgendwann traust du dich nicht mehr aus dem Haus.
Ein marokkanischer Geländewagen kommt den steilen Weg herauf. Zwei ältere Ehepaare steigen mit ihrem Fahrer aus. Wir plaudern. Unvermittelt schaut mich der eine Mann an, fragt, „Stimmt es, das der Sternenhimmel in der Wüste klarer und schöner ist, als sonst wo?“ Erstaunt erwidere ich seinen Blick, „Sie haben doch sicherlich selbst in der Wüste geschlafen. In einem Beduinenzelt?!“ Jetzt ist er es, der die Augen aufreißt. Aber mal ganz ehrlich, dafür muss man keine Hellseherin sein. Es ist erst kurz nach 8 Uhr, also zu früh, um irgendwo anders los gefahren zu sein. „Ja, schon“, antwortet er. „Nur, da war nicht viel mit Sterne betrachten. Das Camp ist die ganze Nacht beleuchtet.“ Ich verstehe, umso dunkler eine Umgebung, umso stärker die Wahrnehmung von Licht. Ich will fragen, warum sind Sie dann nicht einfach in die Dünen hinaus gelaufen, lasse es jedoch. Nicke stattdessen, „Ja. Es ist wirklich so.“ Wieder ist da dieses irre Gefühl, was auf meinen Körper übergreift - kribbeln im Bauch, Wärme, Freude. Ich habe schon immer Individualreisende bewundert, um so „verrückter“ umso besser. Obwohl ich selbst noch nie eine geführte Urlaubsreise unternahm, mit achtzehn, neunzehn und zwanzig je sechs Wochen nach Bulgarien trampte, später öfters per Rucksack durch Asien reiste, fehlte mir dennoch ….sagen wir mal „das letzte Stückchen“, stand ich immer noch ein wenig im „Außen“. Jetzt und hier fühle ich mich mitten drin. Es ist „rund“. Ich möchte nirgends wo anders sein, mit niemand anderem als mit Frank, mit keinem anderen Transportmittel wie unserem Toyota. Angekommen könnte man es auch nennen. Ich sehe am Blick des älteren Mannes Bewunderung. Ja, auch das kenne ich. Ich habe die Leute die noch individueller reisten als ich, auch stets bewundert. Es fühlt sich gut an, wie die Rollen sich jetzt vertauschen. Dabei reisen die zwei älteren Ehepaare bereits auf einer Art, die sich sicherlich nicht viele in ihrem Alter zutrauen. Mit Fahrer und Geländewagen durch die Wüste. Aber selbst zu fahren, selbst die Richtung zu bestimmen, nachts im Nirgendwo sein Zelt aufzustellen.....das ist es, was ich mit „rund“ meine, mit dem „letzten Stückchen“.
Wir verlassen den Aussichtshügel und fahren durch Weite, braune Erde, helle Erde, rote Erde, Sand, noch mehr Sand, vereinzelnde Schirmakazien, flimmernde Hitze, wunderschön, berührend, inspirierend. Das alles mit einem Mann am Steuer, der so viel Sicherheit verbreitet, das ich überzeugt bin, er manövriert uns aus jeder brenzlichen Situation heraus. Die auch kommt, im Dorf Taouz. Eine Absperrung mitten auf der Straße. Zwei zwielichtige Typen treten an die Fahrertür, fragen, wo wir hin wollen. Frank weigert sich eine Antwort zu geben, fragt stattdessen, warum sie das wissen wollen. Die Stimmung ist eisig. Die Typen behaupten die Straße nach Zagora sei gesperrt. Der ganze Bereich wäre Militärgelände. Wenn wir dort hinwollen, nur mittels Führer. Ich denke, `Oh nein, ich will nicht das jemand vor uns her fährt, sagt wo und wann wir anhalten, wo übernachten. ` Ich schaue an den Typen vorbei. Selbst, wenn wir die Absperrung durchfahren würden, ist die Straße mit großen Steinen blockiert. Fünfzig Meter weiter befindet sich eine Art Grenzhäuschen. Davor steht ein Mann in Militärsachen, hoch aufgerichtet, in die Breite gestemmt. Ich starre ihn unter meiner Sonnenbrille hindurch an. Er hat weder ein Gewehr, noch Schulterstreifen oder sonstige „Anstecker“ die auf einen militärischen Rang hinweisen könnten. „Der ist getürkt“, sage ich zu Frank, und dann fällt mir ein, was ich in einem Reisebericht gelesen habe, den Uli ausgedruckt in seinem Sprinter liegen hat. Das war doch hier! Ich raune Frank zu, „Alles hier ist getürkt. “ Frank erwidert, ohne den Typen neben ihm, aus dem Blick zu lassen,, „Ich weiß.“ Über Funk gibt er Uli durch, „Rückwärtsgang einlegen und nichts wie weg hier.“ Bei der nächst besten Gelegenheit wenden wir, raus aus dem Dorf, links abbiegen. „Laut GPS gibt es hier eine Piste, die sich nach dem Dorf wieder mit der Piste nach Zagora trifft“, sagt Frank über Funk. Aber hier ist keine Piste. Das bedeutet, wir fahren jetzt quer durch die Prärie, landen in einem ausgetrockneten Flussbett (So, das mit dem ausgetrocknet schreibe ich jetzt das letzte Mal – denn hier sind alle Flussbetten ausgetrocknet. Kein Wunder, wenn es seit anderthalb Jahren nicht mehr geregnet hat), das so tief liegt, das ich denke, hier kommen wir nie wieder hoch und damit raus. Dazu riesige Steine, Büsche. Es ist die reinste Slalomfahrt. Wieder fällt eine Kiste aus ihrer Verankerung, springt Freddy uns am liebsten vor Schreck auf den Schoß, halte ich mich am Angstgriff fest. Spaß macht das definitiv nicht. Erstens, weil ich mich frage, wie das nur unsere Fahrzeuge verkraften sollen. Zweitens, weil ich mehr als einmal denke, wir sitzen gleich auf oder stecken sonst wie fest. Drittens, wir werden verfolgt. Von Männern in grün auf Mopeds. Das klingt lächerlich?! Ist es nur leider nicht, denn die sind schneller und wendiger als wir, dazu sehen sie echt finster aus. Ich bete mir vor - Es geht alles gut, es geht alles gut. Über Funk sprechen sich die Männer ab - Zum Dorf zurück, Piste auf der anderen Seite suchen. Gisela meldet sich, auch ihr ist es hier unheimlich. Die Verfolger lassen von uns ab. Das Dorf auf der anderen Seite zu umfahren ist leicht. Es ist halt immer eine subjektive Wahrnehmung. Nachdem, was wir auf der anderen Seite erlebt haben – ja, da erscheint auch eine schlechte Piste, wie eine geteerte breite Straße. Dennoch bin ich noch nicht wieder entspannt.
Was ist, wenn die Männer doch Recht haben und hier ist alles Militärgelände?! Wenige Kilometer nach dem Dorf kommen uns zwei LKW´s entgegen. Meine Phantasie geht mit mir durch – Das sind doch Militärfahrzeuge und die Typen darauf Soldaten, Islamisten, denke ich. Meine Stimme ist heiser, „Werden die uns jetzt entführen?“, sehe ich Frank an. „Quatsch“, lächelt Frank, „Auch, wenn die hier bestimmt keine legale Fahrt unternehmen. Vielleicht sind es Schmuggler, die die algerische Seite mit irgendwas beliefern oder anders rum.“ Auch das noch, denke ich, denn damit fällt mir wieder ein, dass wir uns parallel zur Grenze von
Algerien befinden. Kilometer für Kilometer, Schirmakazienbaum für Schirmakazienbaum (dazwischen liegen oft auch  Kilometer) entspanne ich mich. So sehr, dass ich zunächst denke, ich träume – denn vor uns wird die Wüstenpiste von einem Läufer gekreuzt. Gisela „kneift mich“ (sprichwörtlich gesehen), indem sie sich über Funk meldet. „Das ist ja irre! Die machen hier einen Marathonlauf. Seht ihr das?!“ Ja, wir sehen jetzt auch andere Läufer und einen Checkpoint/ Kontrollverpflegungspunkt, inklusive
Helikopter. Sind wir Zeugen des Marathon des Sables? Möglich. Dieser Marathon gilt als einer der schwersten Extremläufe der Welt. 250 km legen die Läufer quer durch die marokkanische Sahara zurück. Über Geröll, durch Dünen, Flussbetten, insgesamt sechs Etappen in einer Woche, die gesamte Verpflegung, so lese ich später nach, haben sie dabei im Rucksack. Nur das Wasser wird ihnen an den Verpflegungsstationen gestellt. Geschlafen wird unter freiem Himmel. Wow!
Einige Schirmakazien später, glaube ich erneut zu träumen oder zumindest eine Fatamogana zu sichten. Eine Kasbah wundervoll in die Landschaft angepasst. Also helle Lehmbauten zu hellem Sand. Es folgen im Abstand von einigen Kilometern mehrere solcher Aubergen/ Kasbahs (Aubergen sind Herbergen, Kasbahs sind Festungen – die hier sind beides zusammen). Alle ähnlich anzusehen, quadratische Lehmwände ziehen sich komplett um das Innenhaus, welches man durch eine einzelne Tür betritt. Vor einer Auberge blüht ein Oleanderbaum, wir fahren vorbei, drehen, fahren zurück. Hier in dieser Auberge wollen wir Tee trinken. Wir betreten den Innenhof, Uli, Gisela und Frank gehen weiter in den Gastraum. Ich sehe mich um, hoffentlich darf Freddy mit in die Innenräume, wenn nicht, hat es sich mit dem Tee trinken, denn bei dieser Hitze und ohne Schatten kann ich Freddy weder im Innenhof lassen noch im Auto. Ein junger Mann tritt in den Hof, er begrüßt mich freundlich auf Englisch und sagt der Hund dürfe mit ins Haus. Super :-) Der Gastraum ist einladend, an fast allen
Wänden entlang stehen Bänke, belegt mit bunten Teppichen, die ebenso den Fußboden zieren, die Tische davor mit bunten Tüchern belegt, wie die Wände damit behangen sind. Dazu ist es angenehm kühl und absolut sauber. Freddy schnüffelt erst mal überall herum, streckt sich dann genüsslich aus. Sehe ich da einen traurigen Blick bei unserem jungen Wirt, als wir nur Tee bestellen. Nachdem Tee werden wir alle schläfrig. Lust auf weiterfahren sieht anders aus. Also fragen wir den Wirt, ob wir bei ihm auch essen könnten. Ach, die Freude in seinem Gesicht zu sehen :-) Ich solle ihn in die Küche begleiten, sagt er, er wolle mir zeigen, was er an Essen da hätte. Die Küche blitzblank sauber. Im Kühlschrank Tomaten, Zucchini, Zwiebeln, Gurken, Apfelsinen. Er sagt, er würde uns gern ein Menü bereiten. Salat, Tajine, Obst. Ich gehe zu den anderen zurück, einen glücklichen jungen Mann in der Küche zurück lassend. Frank dämmert vor sich hin, Uli schreibt in sein Reisebuch, Gisela träumt vor sich hin. Ich schnappe mir meinen Laptop, setze mich in eine Ecke, Füße hoch gelegt und los getippt. Zwischendurch schaue ich noch mal in die Küche. Der Wirt wäscht gerade unseren Salat im Brunnenwasser ab. Kurz denke ich, „Oh je“, schiebe diesen Gedanken jedoch schnell weg- Woher sollen hier Keime kommen? Auf dem Feuer köchelt unsere Tajine vor sich hin. Der Mann strahlt immer noch, vor allem als ich ihn lobe, wie lecker es hier riecht. Es schmeckt auch! Nach dem Menü gibt es wieder Tee aus dem hohen Strahl. Bei so viel Tee suche ich die Toilette auf. Sie befindet sich außerhalb der Auberge, in einem extra kleinen Häuschen, was mir zuvor gar nicht aufgefallen ist. Auch hier ist alles sauber. Während ich mir die Hände wasche, an einem marmornen Waschtisch mit süßer Deko, vergesse ich wohl, wo ich bin. Jedenfalls trete ich aus dem Häuschen heraus und denke allen Ernstes, „Hier ist es ja, wie in der Wüste.“ Ich muss laut auflachen, denn ich bin in der Wüste. Wie das passieren kann? Keine Ahnung. Vielleicht, weil dieses rauskommen aus dem Häuschen eher dem „Betreten eines Bildes“ glich – also komplett surreal. Oder wie Film schauen. Nach knapp drei Stunden und einer Beschreibung der Wegstrecke, die uns bevor steht und sehr abenteuerlich
klingt, fahren wir weiter. Fotografieren direkt neben unserer Piste eine Windhose (die gibt es hier sehr häufig), überfahren einen ….nein, ich sage es nicht.....See mit achtzig Stundenkilometern. Die 250 km Piste von Merzouga nach Zagora soll laut Reiseführer die beliebtesten Offroadpiste von Marokko sein. Wir begegnen jedoch nur noch zwei weiteren marokkanischen LKW´s beladen mit Menschen und einem Jeep mit zwei jungen Spaniern. Die wir bereits in Rissani trafen und wir uns daher umso
freudiger zuwinken. Bei einem Stopp meint Uli versonnen, „Hier ist es wie in Afrika.“ Keiner sagt, „Mensch Uli, wir sind doch aber in Afrika.“ Ich schon mal gar nicht, meine Erfahrung mit der unvermittelten Wüste vorm Toilettenhaus liegt ja noch nicht lange zurück. Man bekommt das manchmal eben nicht realisiert, das es nicht ein Wie ist, sondern ein Ist.
Wieder Weite, Weite, Weite …..Ziegen, noch mehr Ziegen, Dromedare und dann eine ganze Herde davon. Wir steigen aus und zählen 70 erwachsene Tiere, dazu etliche Fohlen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl in so einer Herde zu stehen. Danach bin ich die Fahrerin und unendlich stolz. Denn Frank fühlt sich nicht genötigt etwas sagen zu müssen, wie, runter schalten, hoch schalten, Vollgas, bremsen, schneller, langsamer.
Wir haben vielleicht die Hälfte der Strecke geschafft als wir unser Lager für die Nacht aufschlagen. In der Nähe einer großen Düne mit Ausblick auf ein schroffes hohes Bergmassiv. Im Schatten des Toyotas breiten wir unsere Decke aus. Als erstes liegt Freddy drauf, dann Frank und ich. Wir machen das, was wir am liebsten tun - kuscheln.

Die erwärmten Steine, die wir durch die Decke hindurch spüren, der leichte Wind, die Hitze des vergehenden Tages bewirken dass uns die Augen zufallen. Später dann gemeinsam mit Uli und Gisela kochen, essen, Teezeremonie.
Frank holt die Landkarte. Ein Fehler. Denn Gisela und ich sehen nun schwarz auf weiß, wie nahe wir uns an der algerischen Grenze befinden. Dazu in einer Art riesigen Kessel, in den man nur mittels einer Piste hinein und wieder heraus kann. Gisela möchte dass wir vorsichtshalber das Feuer löschen (was die Männer nicht tun). Ich spüre Angst vor der Nacht. Daher rufe in meinem Inneren die Fakten ab: Marokko gilt als sicheres Reiseland, die Grenze zu Allergien ist laut Auswärtigen Amt sehr gut kontrolliert, Frank würde uns nie in Gefahr bringen, und zu guter Letzt, warum sollten „böse“ Menschen warten, bis wir zu Bett gegangen sind. Hier ist weit und breit niemand, noch nicht mal ein Nomade oder ein Hirte taucht heute auf. Kurzum, wer uns was antun wollte, braucht den Schutz der Nacht nicht.

Kurz vor Mitternacht kommt starker Wind auf. Ich überlege ernsthaft, ob ich eine Mütze aufsetzen sollte, so sehr faucht der Wind durch Gagenfenster und Zeltplane hindurch. Interessant ist, das sich der Wind „anmeldet“, er baut sich in der Ferne auf, kommt ebenso hörbar auf uns zu, um kurz darauf Fahrzeug und Zelt kräftig durchzuschütteln. An viel Schlafen ist da nicht zu denken. Frank und ich kuscheln uns aneinander, hören dem Sturm zu und schauen aus dem Gagenfenster nach draußen. Der Himmel ist übersät mit Sternen, das Bergmassiv ist in ein weiches Licht getaucht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen