Donnerstag, 30. Juni 2016

Marokko Reise 2016 - Donnerstag, den 14.04.2016

Heike
Donnerstag, den 14.04.2016, 15. Reisetag

Fossilienhändler & Oasenstädte und  eine „Fleischerei“ im Hammam

Am Morgen werden Frank und ich gemeinsam wach. Zunächst überlege ich, ob ich auch diesen Morgen vor Sonnenaufgang aufstehen will. Der Sturm hielt bis 4 Uhr, erst danach kamen wir zum schlafen. Die Freude auf den Tag siegt. Wir werfen unsere offenen Schlafsäcke ab, breiten vor dem Auto die Decke für Freddy aus, lassen uns auf unsere Stühle fallen.
Noch bevor wir die Sonne sehen, färbt sich das Bergmassiv vor und die Düne rechts von uns orange. Es ist ein weiches und grelles Licht zugleich. Wir halten uns an den Händen, schweigen und genießen. Später dann Eier und Gemüse braten, während Frank mit Klopapierrolle und Freddy
verschwindet. Wir frühstücken gemeinsam mit Uli und Gisela, überrascht dass auch an diesem Morgen kein unerwarteter Gast sich in unsere Nähe gesellt. Frank holt eine Landkarte, grinst Gisela und mich an, „Ich will euch mal auf der frauenfreundlichen Karte zeigen, wo wir uns befinden.“ Ja, da sieht die Grenze nach Algerien gleich viel weiter entfernt aus. Aber das interessiert uns nun auch nicht mehr. Als wir alles eingeladen haben, fällt uns auf, dass unser Freddy heute scheinbar keine Lust hat weiter zu reisen. Statt, wie sonst, mit dem Schwanz wedelnd neben dem Toyota zu stehen, lässt er die Ohren hängen. Wir müssen ihn ermuntern auf seinen Platz zu springen. Dort angekommen, beginnt er zu zittern. Ratlos schauen Frank und ich uns an. Ich erwähne, „Er war schon gestern Abend so komisch. Nach unserer Kuschelrunde blieb er liegen, statt wie sonst rumzutoben.“ Frank erwidert nachdenklich, „Ich musste ihn heute Morgen regelrecht überreden, mit mir mitzukommen.“ Liegt es an der Hammada – der Wüste der vielen runden und spitzen Steine, die ihm das Laufen erschwert oder sogar Schmerzen bereitet? An der Hitze? Aber warum wollte er dann nicht ins Auto? Mit einem zitternden Hund loszufahren kostet Überwindung. Bisher kannten wir so ein Verhalten nur von dem Tag, der dem Tag mit seinem Erbrechen im hohen Atlas folgte. Aber da zitterte er bei weitem nicht so, wie er es jetzt tut. „Der Fossilienhändler zu dem wir wollen, lebt im nächsten Dorf.
Das müssten wir nach weniger als zehn Kilometern erreichen“, lässt Frank den Toyota an. Er fährt, ich streichle Freddy, rede ihm gut zu. Er zittert weiter, bis in das Dorf Sidi Ali hinein. Dort lebt der Fossilienhändler, den Frank bereits im Jahr 2013 besuchte. Oder korrekter gesagt, in dessen Auberge Frank und seine Freunde, während eines Sandsturmes „hinein getrieben“ wurden. Er sagte, sie hätten nach einem schützenden Unterschlupf Ausschau gehalten und „plötzlich“ hätten sie vor der Auberge gestanden. Wir parken den Sprinter und den Toyota im ummauerten Innenhof mit Büschen voller blühender Oleander. Der Fossilienhändler kommt heraus, wir reichen uns die Hände, legen anschließend alle unsere Hand aufs Herz und … Ja, wir trinken erstmals zusammen süßen frischen Pfefferminztee aus dem hohen Strahl. Danach durchstöbern wir alle vier den kleinen Laden. Wie Frank sind auch Uli, Gisela und ich begeistert, was der Mann hier in seiner Gegend alles an fossilen Steinen fand und wie er aus diesen die Ur-Tiere heraus arbeitete. Frank konnte 2013 dem Fossilienhändler bei der Arbeit zusehen. Er erzählt, dass dafür  Werkzeuge benötigt werden, die denen aus einem Zahnlabor ähneln. Doch vor allem würde die Arbeit Stunden dauern. Ich bin oft erstaunt, wie erfinderisch die Menschen – hier und auf der ganzen Welt - sind, was das ver–dienen betrifft. Die meisten Marokkaner dienen ihren Mitmenschen indem sie Gemüse, Gewürze, Obst etc. verkaufen, andere gehen in die Natur und suchen dort nach schönen Dingen, wieder andere verdingen sich im Tourismus. Die meisten sind davon ehrlich, manche setzen überteuerte Preise an und einige wenige  sind kleine „Banausen“, die sperren gleich mal die Straße im eigenen Dorf ab, um sich als Guide anbieten zu können.


 
Ohne Absprache zeigen Frank und ich auf denselben fossilen Stein, wir grinsen uns an, der Fossilienhändler kommt hinzu, ich gehe in den kleinen Gastraum, bestelle mir einen Tee. Kurzum, die Männer machen Geschäfte, ich lasse es mir gut gehen :-) Auch hier sind an fast sämtlichen Wänden Bänke aufgestellt, die mit bunten Teppichen belegt sind. Ich muss zweimal hinschauen... unter dem einen Teppich liegt jemand. Ach, unter dem anderen ja auch. Während ich meinen süßen Tee trinke, erwachen die zwei ca. fünfzehnjährigen Jungen, reiben sich verschlafen die Augen, strecken und recken sich. Dieser Gastraum ist scheinbar zugleich Wohn- und Schlafraum der Familie.
Wenige Kilometer nach dem Dorf  tut sich ein  „Sandkasten“ auf. Frank fährt  einige Dünen an, bleibt dann auf einer stehen. Wir steigen aus und beobachten fasziniert, wie unser Freddy, der erneut im Fahrzeug zitterte, die Düne bäuchlings herunter rutscht, die nächste Düne herauf galoppiert, wieder bäuchlings runter.....Das bei mittlerweile voller Sonne. Also
an der Hitze kann es schon mal nicht liegen. Also, doch an den Steinen?! Bleibt aber immer noch die Frage, warum zittert er so im Fahrzeug? Weiter geht es mit Musik von Eric Clapton, einem etwas weniger zitternden Freddy,  durch eine karge wunderschöne  Landschaft. Ich träume vor mich hin, schlafe fast ein und reiße dann die Augen auf. Sehe ich das richtig? Das kann doch gar nicht sein. Meine Augen wandern vom „Wunder“ nach rechts. Palmen in einer Linie aufgefädelt und noch weiter ein Palmenhain. Aha, hier muss Wasser fließen, zumindest unterirdisch. Und das brauchen nun mal.....
„Frank, halt mal an.“ „Musst du mal?“ „Nein“, grinse ich, „Aber wir fahren gerade durch ein Melonenfeld.“ Frank sieht erst mich skeptisch an, dann das „grüne schlängelnde“ um uns herum. „Das ist ja unglaublich“, bremst er ab. Gisela und Uli glauben auch zu phantasieren. Melonenfelder mitten in der Wüste. Wir gehen zu einer kleine Gruppe von Arbeitern, fragen, ob wir eine Melone kaufen können. Sie erklären uns, der Patron sei gerade nicht da und daher dürften sie nichts verkaufen. Wirken wir so sehr enttäuscht? Jedenfalls pflückt einer der Arbeiter nun doch ein begehrtes Exemplar und überreicht es uns. Wir zücken unsere Geldbörsen, die Männer schütteln energisch den Kopf, nein,
die Melone sei ein Geschenk. Wir bedanken uns, wiederstehen der Versuchung die geschätzte zehn Kilo schwere Frucht auf der Stelle aufzuschneiden und suchen uns einige Kilometer weiter eine Akazie mit besonders großem „Schirm“. Darunter stellen wir Tisch und Stühle auf und essen zu Mittag. Saftige dunkelrote irre süße Melone :-)


Bevor wir nach zwei Stunden weiter fahren, machen wir das was hier fast alle tun, egal ob Einheimische oder Touristen. Wir opfern dem Pistengott. Was bedeutet, wir bauen Steinmännchen. Denn diese schmeicheln dem Pistengott und er würde damit unsere Reifen „heile“ lassen. Übrigens witzeln wir beim Siesta halten, das es hier zugeht wie auf einer Autobahn. In diesen zwei Stunden rollen nämlich drei Autos an uns vorbei.  Ja, das ist hier in der Wüste eine unglaubliche Menge an Fahrzeugen :-) „Legst du die mystische arabische Musik von gestern ein?“, frage ich Frank. „Sofort oder später?“ „Am nächsten Baum.“ Frank nickt. Also nach circa drei Kilometer Eric Clapton. Zeitangabe? Die ist uns verloren gegangen. Meine Hand ruht auf Franks Oberschenkel, mein Blick auf dieser so grandiosen wunderschönen Landschaft – Glücksgefühle durchströmen mich. Mir fällt ein, das Frank bei Antritt unserer Reise zu mir sagte, „Ich bin so gespannt, wie dir die Wüste gefällt. Es heißt, entweder einmal und nie wieder oder immer und immer wieder. Ich wünschte mir...“ Da hat er abgebrochen, dennoch kenne ich den Satz weiter. Frank liebt die Wüste und er wünschte sich, auch ich würde die Wüste in mein Herz lassen. Die Wüste ist dort angekommen und damit gehöre ich zur zweiten Gruppe – immer und immer wieder. Und damit :-) ist Frank doppelt glücklich (wenn denn so was geht). Übrigens gibt es den Spruch,„ Die Wüste ist Allahs Garten. Alles Unnütze und Überflüssige hat er weggelassen. Übrig geblieben ist nur die Schönheit und die Reinheit.“
Am frühen Nachmittag erreichen wir die Oasenstadt Zagora. Palmen, Palmen, Palmen - Irre wie grün uns das gleich alles vorkommt. Wir fahren auf den Campingplatz Le Jardins (übersetzt: Garten). Es ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Garten - Oase, alles blüht hier in den verschiedensten Farben. Wir stellen unsere Stühle zwischen Stockrosen und Bouganvilen, spannen zwischen zwei Palmen die Hängematte und gehen erstmals ausgiebig den Wüstensand abduschen. Es gibt auf dem Zeltplatz eine Art Zelt – mit Zeltdach und Wänden aus einem Gemisch von Lehm und Stroh - wunderbar kühlend im Sommer, im Winter Wärme speichernd. Darin sieht es aus, wie in den Aubergen in der Wüste – also Bänke an den Wänden, allesamt belegt mit bunten Teppichen, Zeltdecke und Wände  behangen mit bunten sehr schönen Stoffen. In diesem Zelt gibt es freies WLAN. Was ich doch zu gern nutze, um per WhatsApp mit meinen Kindern und meinen Freundinnen zu kommunizieren. Ohne Wüstenschuhe, die Hosen gegen ein Kleid ausgetauscht kuschle ich mich auf eine Bank und tippe und lese und tippe und lese....Nach einer Stunde kommt Frank hinzu, fragt, was ich denn solange tue, setzt sich neben mich, zückt sein Handy. Ich denke hoffnungsvoll – Super, da kann ich ja noch weiter WhatsAppen. Doch nach gefühlten wenigen zehn Minuten ist Frank bereits fertig mit seiner Kommunikation. Wir gehen zu Uli und Gisela und mit ihnen gemeinsam in das Zentrum der Stadt. Mittlerweile ist es dunkel geworden. Freddy, dem es wieder gut geht, macht es sich währenddessen mit seiner Ente auf einer Decke neben dem Toyota gemütlich. Die kleine Stadt pulsiert vor menschlichem Leben, nicht gerade das was er mag. Wir suchen uns ein Restaurant, indem die meisten Tische
besetzt sind und das den besten Blick auf die beleuchtete Moschee bietet. Die Bestellung ist schnell aufgegeben, da die Speisekarten in Marokko meistens nur aus zwei Seiten bestehen. Eine Seite mit vier bis fünf Couscous Gerichten, die andere Seite mit vier bis fünf Tajinen Gerichten. Es schmeckt herrlich.
Dafür ist der Tee eine Katastrophe – Teebeutel und nichts mit hohem Strahl. Auf dem Weg zum Zeltplatz bummeln wir durch die kleine Stadt zurück. Ich möchte im kleinen Hammam für morgen einen Termin vereinbaren. Als ich auf das Haus zugehe, treten mir gleich drei Männer erschrocken in den Weg. Sie bleiben weiter vor mir aufgebaut, während sie Frank erklären, das Bad stehe von abends 6 Uhr bis früh 6 Uhr den Männern zur Verfügung. Die restliche Zeit wäre Hammam-Zeit für die Frauen. Daher könne Frank sich gern einen Blick verschaffen, ich müsste jedoch draußen warten. Oh je, denke ich, wenn Frank sich das Bad anschaut bin ich danach nicht schlauer wie vorher. Er kommt wieder raus, meint,  drinnen sehe es aus wie in einer Fleischerei. Ich, „Wie Fleischerei?!  Beschreib mal genauer.“ „Na, halt alles voller Fliesen. Jedenfalls in dem Raum indem ich war. Ich habe dort auch keinen heißen Stein gesehen. Die Männer saßen alle auf dem Fußboden“. „Vielleicht ist ja der Fußboden heiß?!“ Frank schaut mich entgeistert an, „Sag jetzt nicht, das hätte ich testen sollen.“ Ich zucke mit den Schultern, wäre doch zumindest eine Möglichkeit gewesen. Was denn für Fliesen?“, frage ich nun nach, „ Schöne? Bunte? Oder sogar Mosaike?“ Jetzt zuckt er mit den Schultern, „So genau habe ich mir die nicht angesehen aber bunt war es nicht. Vielleicht gibt es ja auch noch einen Extraraum für Frauen. Ich habe dir jedenfalls für morgen 10 Uhr einen Termin  vereinbart. Hammam mit Massage.“ Mm.... ich bin definitiv nicht schlauer. 

Wir schlenkern weiter, quatschen mit Uli und Gisela und werden von einem sehr großen dunklen Mann überholt. Dieser dreht sich erstaunt herum und spricht uns an, „Sie sprechen ja Deutsch. Ich habe schon ewig kein deutsch mehr sprechen können.“ Ich bin erstaunt, „Wie kommt es das Sie so gut deutsch sprechen? Das klingt ja perfekt.“ Er lächelt, „Ich studierte für einige Jahre in Deutschland. Aber ich hatte wieder Sehnsucht nach der Wüste. Ich arbeite und lebe hier als Künstler.“ „In der Wüste?!“, frage ich begeistert nach. „Als Künstler?!“ Mein Herz schlägt  schneller. Das klingt ja fantastisch. Ich schaue die anderen Drei an, ihre Begeisterung hält sich arg in Grenzen. Das verstehe ich gar nicht. „Sie haben eine besonders schöne Kette um“, lenkt mich der große dunkle Mann davon ab, meinen Traummann und meine Mitreisenden tiefer zu ergründen. „Echt“, fasse ich mir an den Hals und  schmelze dahin. Ich liebe Ketten, deshalb habe ich ja auch so viele. Und nun, ein Künstler, der meine Kette würdigt. „Darf ich sie alle Vier auf einen Tee in mein Atelier einladen? Ich würde Ihnen gern meine handgearbeiteten Halsketten zeigen. Keine Sorge, nur Tee trinken und noch eine Weile auf deutsch reden. Ich halte das Geld nur in meinen Händen, in lasse es nicht in mein Herz hinein“. Ach, atme ich tief ein, philosophisch ist er auch noch. „Gern“, willige ich ein. Frank und Giselas Blick verdunkelt sich. Hilfesuchend wende ich mich Uli zu. „Na klar, ein Tee geht immer.“ Ich wusste auf Uli ist Verlass, denn bei ihm ist die Neugier auf fremde Menschen und Begegnungen ebenfalls groß angelegt. „Aber wir werden nichts kaufen“, lasse ich den dunklen großen Mann wissen. „Tee trinken und reden.“ „Habe ich doch versprochen“, lächelt er, „Es wird mir eine Ehre sein.“ Nun schaue ich zu Frank, er nickt, Gisela stimmt auch zu. Während wir hinter dem dunklen großen Mann her laufen, raunt mir Frank zu, „Jetzt hast du verloren.“ „Wir gehen in ein Atelier“, sehe ich ihn an, „Was will man denn dort verlieren?!“ Frank grinst, „Du wirst schon sehen.“ Was ich sehe, gefällt mir gar nicht, und noch weniger mag ich jetzt die anderen Drei anschauen. Mist, wir sind in einem Souvenirladen gelandet. Die „Kunst“ des „Künstlers“ liegt hinter Glas. Das macht schon einiges her. Dennoch bleibt die Kunst identisch mit der, die wir schon in Massen auf Märkten und Suks gesehen haben – also die gleichen Ketten, Dosen, Zierdolche. Es ist wie im Märchen mit der bösen Hexe, die in unserem Fall männlich ist. Erst süffisant süß und kaum in die Hütte gelockt zeigt er das wahre Gesicht. Wir bekommen Tee im hohen Strahl serviert und danach werden die „Kunstschätze“ auf den Tisch gelegt.  Ich schaue den Mann in seine dunklen Augen, „Wir sagten, wir kaufen nichts.“ Sein Blick wird finster, sein Lächeln ist wie weg gewischt. Oh Gott, denke ich, ich will hier raus. Aber der Tee ist so heiß, den können wir nicht schnell hinter kippen. Ohne austrinken, aufstehen - sehr unhöflich. Ich entdecke eine kleine Steindose, die gleiche hat Gisela in der Hammada bei einem Nomaden gekauft, der Mann wollte siebzig Dirham, bezahlt hat sie vierzig. Okay, denke ich, die kaufe ich. Eine Art Lösegeld? Ja, so könnte man es nennen. Schwerer Fehler! Der Mann ist nicht nur kein Künstler sondern auch ein aufdringlicher Choleriker. Böse Kombination. Also ich zeige auf die Dose, lehne mich entspannt zurück, denn Frank übernimmt ja nun die Verhandlung, schnelle wieder vor und traue meinen Ohren nicht. Der Mann will 380 Dirham. Franks Wangenmuskeln arbeiten auf Hochtouren, was bedeutet, er ist echt angepisst. Er wird mit diesem Menschen nicht handeln. Also muss ich meine Suppe allein auslöffeln. Ich sage, „Wie schon gesagt, wir kaufen heute nichts mehr. Die Dose hat mich nur deshalb interessiert, weil wir gestern eine sehr identisch wirkende gekauft haben.“ Er zeigt aggressiv auf eine Kette, „Die kostet 400 Dirham. Was bist du bereit auszugeben?!“ Jetzt bin ich angepisst, „Nichts! Weil ich nichts kaufen will.“ Er wird lauter, „Was zahlst du?! Was ist die Kette wert?“ Gisela scheint nun auch ordentlich genervt zu sein. Sie sieht ihm voll in die Augen und zischt, „20 Dirham.“ Er starrt sie an, dann mich, schreit, „Sag mir deinen Preis! Sag mir deinen Preis!!“ Das ist der Moment,  indem wir alle vier aufstehen und den Laden verlassen. Laut werden, schreien ist in vielen Kulturen identisch mit - das Gesicht zu verlieren. Übersetzt: Ein Mensch der dies tut, ist mehr als unhöflich und verliert augenblicklich die Achtung und den Respekt seines Gegenübers. Der Mann versucht uns festzuhalten, wir müssen regelrecht vor ihm fliehen - Kein schöner Ausklang für so einen schönen Tag. Jetzt verstehe ich Frank´s Bemerkung vorhin mit dem „verloren“, auch wenn er den Ausgang dieser Einladung so krass nicht vorhergesehen hatte. In dem Moment wünsche ich mir auf der Stelle die Einsamkeit der Wüste zurück. Dabei sind wir uns überhaupt nicht sicher, wohin und wann es morgen weiter geht. Geplant war von Zagora nach M´Hamid mittels Teerstraße, dann Piste über Lac Iriki und Erg Chegaga nach Foum Zguid. Also noch mal eine lange Wüstentour. Aber nachdem es unseren Freddy heute so mies ging, sind Frank und ich uns unsicher. Können wir ihm eine weitere Wüsten - Pistentour mit all dem durch geschüttle zumuten? Bei Uli und Gisela stand ursprünglich auch diese Tour auf dem Plan. Sie sind sich jedoch einig, ohne uns, werden sie die Tour nicht antreten.
Inschallah gehen wir ins Bett, mal sehn was der nächste Tag bringt. Vor dem Einschlafen sagt Frank, er überlasse mir die Entscheidung – ob Wüste oder Richtung Gebirge. Oh je, mir fällt manchmal schon die Entscheidung schwer, was wähle ich aus der Speisekarte......Und Frank ist ein so strukturierter Mensch der Pläne liebt. Wenn ich mich gegen die Wüste entscheide, entscheide ich mich gegen seinen ursprünglichen Plan – damit droht die Gefahr einen schlecht gelaunten Mann neben mir sitzen zu wissen. Auch, wenn es nicht lange anhalten wird, da sich ja Frank auch um Freddy sorgt. Nur, selbst eine kurze Disharmonie zwischen uns, wäre schon furchtbar für mich. Entscheide ich mich für die Wüste und Freddy geht es schlecht, habe ich auch ein schlechtes Gewissen. Was ich will? Ja, das weiß ich gerade auch nicht. Die Nacht ist ruhig, trotz einem Campingplatz, der mitten in der Stadt liegt.
Geweckt werden wir von den Muezzin´s. So laut, das wir glauben könnten, die drei „singenden“ Männer hätten sich um unseren Toyota herum gruppiert. Frank liebt den betenden Sing Sang, ich empfinde ihn zumindest als angenehm. Wir kuscheln uns aneinander, lauschen dem „Konzert“ bis es endet, Frank schläft wieder ein, ich grüble – Wüste, Gebirge, Wüste, Gebirge.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen