Montag, 6. Juni 2016

Marokko Reise 2016 - Dienstag den 12.04.2016 Teil I

Heike
Dienstag, den 12.04.2016, 13. Reisetag -Teil I

Mit Vollgas und Erdbeermus in die Wüste

Unsere erste Nacht in der Wüste. Absolute Stille. Das hätte ich so nicht erwartet, nachdem ich die Kamele näher kennengelernt habe. Die können ja so was von herum maulen, da sind motzende Esel gar nichts dagegen. Ich lag dennoch oft und glücklich wach, meinen Kopf auf Franks Brust gebettet, aus dem Gagenfenster den Sternenhimmel beobachtend.
Einige Minuten nach sechs Uhr höre ich Gisela und Uli aufstehen. Frank und ich stehen wenig später auf, auch wir wollen den Sonnenaufgang in den Dünen bestaunen. War es schon im Innenhof der Auberge ruhig, werden wir jetzt von noch mehr Ruhe empfangen. Ja, auch Stille ist steigerbar :-).

Selbst unser Freddy läuft andächtig vor uns her. Nur ab und an überkommt es ihn. Dann rutscht er bäuchlings, alle vier Gliedmaßen weit von sich gestreckt, einen Dünenberg herunter. Die Sonne kommt zehn vor sieben aus ihrem Bett. Frank zückt begeistert die Kamera, ich sitze auf einem Dünenkamm, den Rucksack unterm Hintern, denn der
Wüstensand ist morgens mehr als kalt. Freddy sitzt neben mir, den Kopf stolz erhoben, Ohren aufmerksam gespitzt. Völlig reglos schauen wir zu, wie die Sonne immer höher klettert. Frank liebt, wenn die Sonne auf und unter geht. Bei mir ist es eher die Stille und das noch „Unbedarfte“ eines jeden frühen Morgens.
Zurück in der Auberge, holen wir als erstes unsere Decke aus der Waschmaschine, hängen sie auf und dann gehen die Frühstücksvorbereitungen los. Ich mag es am Morgen Zwiebeln, Tomaten und Eier zu braten, frisches Obst aufzuschneiden, während Frank den Tisch deckt und genau in die Mitte sein Nutella Glas platziert. Übrigens wasche ich die Eier seit Imilchil ab, egal ob ich sie anschließend als Spiegel- oder Rührei aufschlage oder gekocht serviere. Milben mögen mich zum fressen gern. Die Milben von Imilchil haben mir „nur“ meine Arme zerstochen.
Nach dem Frühstück, bezahlen, Dachzelt einklappen, die mittlerweile getrocknete Decke auf Freddys Brett legen und einsteigen. Nur als ich an die Beifahrertüre trete, steht schon Frank dort und grinst mich an, „Du fährst“. Okay, denke ich, es geht ja heute Morgen noch nicht in die Wüste sondern noch mal zurück nach Rissani, auf den Markt. Ich will geradeaus, Richtung Straße, doch Frank gibt Anweisung, „links abbiegen“. Links beginnen die Dünen. Die Fassungslosigkeit in meinen Augen lässt Frank auflachen, „Nun gib mal Gas“. Das gebe ich, jedoch sehr verhalten und trete nur wenige hundert Meter aufs Bremspedal. Vorfahrtregeln gibt es wohl kaum in einem riesigen Sandkasten, dennoch sagt mir mein Instinkt, ich solle die Kamelgruppe die von links kommt besser vorbei lassen. Manches Kamel bleibt auch noch stehen, fixiert uns durch die Frontscheibe, schürzt dabei seine Lippen.....meine rechte Hand greift zum Schalter vom Scheibenwischer. Wenn so ein großes Tier spuckt, dann ist das bestimmt nicht wenig.... Frank holt mich aus diesen Gedanken heraus, „Umfahre doch die Tiere“. Ich schaue ihn entgeistert an. Umfahren?! Das würde bedeuten über die Dünen drüber weg und nicht mehr durch die Täler hindurch. Nee, da warte ich lieber. Was ich mir hätte sparen können bei einem Mann, der, sobald wir wieder weiter fahren können, in die Ferne zeigt, „Du siehst doch die Düne vor dir“. Ja, sehe ich und ebenso wie sich mein „Talweg“ dran vorbei schlängelt. „Also die fährst du jetzt an. Zweiter Gang – Untersetzung und dann bei ordentlicher Drehzahl des Motors über die Düne drüber weg. Also jetzt!“ Ich schalte, fixiere die Düne an, wissend, Widerspruch ist gerade keine Option. Mein Herzschlag beschleunigt sich parallel zum Drehzahlmesser (den unser Toyota aber gar nicht hat, Anmerkung Frank). Etwas währt sich in mir, haben mir nicht mein Fahrschullehrer, mein Vater, meine Brüder stets beigebracht, nicht den Motor so hoch kreischen zu lassen. „Drück das Gaspedal durch!!“
„Ich kann aber nicht sehen,was nach der Düne kommt“, werfe ich ein, „Egal! Durch treten!!“
Wow, ich habe so eben eine Düne mit einem Geländewagen erklommen und bin auf der anderen Seite wieder „runter gerutscht“. Was für ein Gefühl! „Niemals vom Gaspedal runter, wenn du eine Düne anfährst“, erklärt mir jetzt Frank, „ Die Dünen sind hier nicht so steil, das es anschließend im Sturzflug nach unten gehen könnte. Wenn du nur kurz vom Gaspedal runter gehst bevor wir oben sind, hast du verloren. Dann hast du dich festgefahren und ausbuddeln ist angesagt. So, dort kommt die nächste Düne.“ Ich denke, das ist nicht sein Ernst. Aber Frank meint grundsätzlich etwas so, wie er es sagt. Diese Düne ist höher, wie die erste. Und mein Mut verlässt mich für eine winzige Sekunde. Kurz vor dem Dünenkamm nehme ich das Gas weg. Rums, der Toyota sitzt fest. Und damit kommt der Sprinter hinter uns auch zu stehen. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen, „Ist das meine Schuld“,  sehe ich Frank an, „das Uli und Gisela jetzt auch fest hängen?“
Frank lächelt, „Nein, das ist nicht deine Schuld. Uli hat einen klassischen Anfängerfehler begangen. Und das ist gut so, erstens wird er nie wieder in der Wüste so dicht auffahren. Zweitens lieber jetzt hier am Anfang der Wüste festgefahren als mittendrin.“
Uli der mittlerweile auch ausgestiegen ist, schaut ebenso unglücklich, wie ich daher. Frank grinst, „Gute Zeit mal deine neuen Sandbleche auszuprobieren. Und beim nächsten Mal niemals in der Wüste direkt hinter einem anderen Fahrzeug her fahren. Immer großen Abstand lassen, sonst hast du keine Möglichkeit mehr zum manövrieren.“
Frank fährt zuerst unseren Toyota vom „Berg“, ohne den Einsatz von Sandblechen. Dann hilft er Uli und Gisela mit den Sandblechen und gibt Anweisung, wie Uli den Sprinter frei bekommt. Wieder zurück im Toyota, ich darf tatsächlich weiter fahren, sagt er „Super Sandbleche, die Uli da hat.“ Dann erklärt er mir noch folgendes, „Wenn der Fahrer sich in der Wüste festfährt, hat der Beifahrer die schlechteren Karten. Denn dieser läuft nach erfolgreicher Sandblechbergung dem Fahrzeug nach, die Sandbleche hinter sich herziehend. Das können schon mal mehrere Hundert Meter sein, bis der Fahrer wieder anhalten kann, ohne Gefahr zu laufen sich erneut festzufahren.
„Dann möchte ich ab jetzt nur noch fahren“, lache ich. Was mir jedoch bald vergeht. Nachdem wir zunächst am Rand der Wüste über Piste fahren, damit Uli und ich uns wieder „erholen“ können, zeigt Frank erneut auf die Wüste, „Okay, du siehst doch diese Dünen da, die zielst du jetzt an. Und ….“, ich unterbreche ihn, „Nicht vom Gaspedal runter. Zweiter Gang und Vollgas“. „Richtig“, grinst Frank. Doch auch ihm vergeht gleich das Grinsen. Denn kaum habe ich den Dünenkamm erreicht, macht er „Oh“, und ich denke, „Oh, Oh, Oh“.
Ab da läuft alles in Zeitlupe ab. Denn vor uns oder besser gesagt unter uns ist ein Kessel. Meine Augen überfliegen eine Düne nach der nächsten. Sie sind alle steil und kein Tal dazwischen. Wenn ich da rein fahre, denke ich, und uns fest fahre, dann helfen hier auch keine Sandbleche mehr und das uns hier jemand raus ziehen kann, halte ich schlicht weg für unmöglich. Dass Frank so gar nichts mehr sagt, zeigt mir an, er teilt meine Gedanken. So aber in Wirklichkeit läuft ja die Zeit nicht langsam, hat man gar nicht die Zeit zum denken … der Toyota rollt vom Berg, ich schlage den Lenker nach rechts ein, steuere die Düne vor mir schräg an, drücke das Gaspedal voll durch. „Mehr Gas“, höre ich Frank neben mir. Nur spüre ich bereits unter meinem rechten Fuß das Bodenblech. Da ist nichts mehr zum durchdrücken,.....Rums, wir stecken fest. Mir steigen Tränen auf, so ein Mist denke ich, das war`s. Frank bleibt ruhig. Er wechselt auf den Fahrersitz, ich stehe geschockt draußen. Er startet, setzt zurück, gibt dann Vollgas und fährt den Kessel wie eine Spirale ab, schraubt sich und den Toyota immer höher bis zum Dünenkamm und drüber weg. Ich laufe hinterher, froh keine Sandbleche hinter mir herziehen zu müssen. Uli und Gisela die neben der Piste gewartet haben, grinsen. „Wir machen das mal lieber nicht nach.“
Erneut darf oder besser gesagt, soll ich jetzt auf den Fahrersitz. Frank ermuntert mich, „Der Dünenkessel war wirklich nicht ohne. Du machst dich für deine erste Wüstentour ziemlich gut.“ Das Kompliment geht runter wie Öl. Dennoch bin ich froh, dass wir nun am Rande der Wüste lang fahren. Die Piste ist mal sandig, mal steinig, mal Wellblech, wie es Frank bezeichnet. Auch da bekomme ich eine Einweisung. „Wellblech entsteht durch schwere Fahrzeuge. Die Rillen die sich dabei aufschieben, werden immer tiefer, zudem sind sie extrem hart. Du hast als Fahrer zwei Möglichkeiten. Entweder ganz langsam fahren oder auf achtzig Stundenkilometer beschleunigen, dann fährst du nicht mehr durch die Wellen, sondern auf den Kuppen entlang. Allerdings hast du damit weniger Bodenhaftung und es fährt sich wie auf Glatteis. Der Bremsweg verlängert sich um ein vielfaches. Hier im Erg Chebbi solltest du lieber Variante eins wählen.“
Von der Piste mit Variante eins, geht es auf die Teerstraße nach Rissani. Ich bin stolz auf mich, durch diese afrikanische Kleinstadt zu fahren, in der heute zum Markttag noch mehr auf den Straßen los ist. Frank schaut mich von der Seite her an. Spüre ich da einen gewissen Stolz in ihn? Wir finden einen Schattenplatz, denn unseren Freddy wollen wir das Markttreiben nicht zumuten. Aber auch ohne Schatten bleibt es Dank isoliertem Schlafdach und verdunkelten Seitenscheiben relativ kühl im Innenraum. Damit können wir mit gutem Gewissen losziehen. Nicht ohne Freddy vorher zu ermahnen, auch gut auf unser Hab und Gut aufzupassen.
Auf dem Weg zum Markt kommen wir ...tja, wie soll ich es nennen, Tante Emma Läden für Männer, also Onkel Erwin Shops vorbei. Werkzeuge und Co in Regale bis zur Decke aufgestapelt, auf dem Boden ausrangierte Motoren, Spaten, Sägen usw. Uli und Frank bleiben wir gebannt stehen. Was uns Frauen erfreut? Für Gisela kann ich nicht sprechen, da wir ab der Straße mit den Werkzeugläden getrennt zum Markt weiter gehen. Mich begeistern am meisten die Gemüse/Obststände. Dort sitzen die Bauern oder Bäuerinnen, vor sich ausgebreitet, das was gerade auf ihrem Feld wächst. Das können mal nur Tomaten sein oder auch nur viele kleine Bündel frischer Pfefferminze. Die meisten Bauern haben bis zu drei Sorten Gemüse/Obst/Kräuter im Angebot. Keiner hat „alles“. Also Tomaten, Gurken, Zucchini, so wie wir sie kennen, Zucchini in Schlangenform, Auberginen, Paprika, Zwiebeln, Gurken, Apfelsinen, Bananen, Mandarinen, Dattel, Erdnüsse, frische Pfefferminze, frischer Koriander, Erdbeeren, Honigmelone, Galiamelone. Oh ja, das reinste Paradies für alle die gerne Obst und Gemüse essen. Vor allem, hier schmeckt noch alles nachdem es auch aussieht. Und dann die Gewürze. Ganze „bunte Berge“ feurig rotes Paprikapulver, gelber Koriander, grauer Kreuzkümmel, Schwarzkümmel und und
und. Wir wählen den ersten Gewürzhändler für unseren Großeinkauf aus. Wir nehmen etliche Gewürze, lose Teesorten und einige Duftsteine (die gibt es im Amber, Moschus und Jasmin, haben die Größe einer Streichholzschachtel und sorgen für gute Gerüche im Auto, Kleiderschrank, Bad). 400 Dirham will er dafür haben. Frank der sonst stets gut zu handeln weiß, bekommt den Preis gerade mal auf 360 Dirham herunter. Das dumme ist, wir haben keinen Anhaltspunkt, was hier Gewürze kosten. Wir wissen nur, ein Duftstein in Fes sollte 50 Dirham kosten, Gisela hat unterwegs einen für 40 Dirham gekauft, der Händler hier will ebenfalls 40 Dirham. Scheint also zu passen.
Beladen mit unseren neu erworbenen Tüten, gehen wir weiter. „Bei dem Händler habe ich schon mal gekauft“, schaut Frank in die Richtung eines älteren Mannes, der eingehüllt in ein oranges Gewand, inmitten seiner Gewürze sitzt. Als wir ihn erreichen, spricht er uns auf Englisch an. Er fragt, was wir für unsere Tüten bezahlt hätten. Wir antworten ehrlich, worauf der Mann in orange regelrecht wütend wird. So eine Abzocke würde Marokko und seine Menschen in ein schlechtes Licht rücken. Ein Duftstein, sagt er, kostet zehn Dirham, hundert Gramm Gewürze egal von was fünf Dirham. Das was wir da in unseren Tüten hätten wäre maximal hundertsechzig Dirham Wert und deshalb müssten wir jetzt zurück gehen und unser Geld zurück verlangen. Frank und ich schauen uns ratlos an. Wir sind uns da sehr ähnlich, wenn ein Geschäft stattgefunden hat, dann ist es so, wie es ist. Aber der ältere Mann lässt nicht locker, er redet sich regelrecht in Rage. Also gehen wir zu „unserem“ Gewürzhändler zurück und siehe an, wir bekommen hundertzwanzig Dirham zurück und dazu noch zwei Duftsteine hinzu. Was uns dann allerdings wesentlich mehr überrascht ist die anschließende Reaktion des
Händlers. Denn er beglückwünscht Frank zum guten Geschäft und verneigt sich dazu noch leicht. Es heißt ja in arabischen Ländern gehöre handeln zum guten Ton, sogar noch mehr, wer nicht handelt, würde schlicht weg als dumm betrachtet werden, wer dagegen einen guten Preis erzielt, erhalte die Achtung seines Gegenübers. Wir gehen zurück zum Mann in orange. Er ist noch immer nicht zufrieden mit uns aber wir lassen uns nicht mehr erweichen. Das Geld was wir zurück bekommen haben, investieren wir bei ihm.
Weiter geht es zum Parkplatz der Nomaden. Ich dachte
immer ich hätte schon einiges gesehen, ich will skurril schreiben aber das Adjektiv passt nicht, denn die vielen Esel, angepflockt auf einen großen Platz gehören zum ganz normalen Leben der Nomaden, Für sie ein so selbstverständliches Transportmittel, wie für uns das Auto. Wir erreichen den Parkplatz als gerade „Ruhe“ ist, dann motzt ein Esel auf und die anderen steigen mit ein. Ein Konzert der ganz besonderen Art :-). Was ich mich so frage, während mein Blick über den Platz schweift.....Springt hier ab und an ein Esel auf eine Paarungsfreudige Eselin? Wäre ja praktisch. Eingeparkt, ausgeparkt mit einem süßen „Extra“ im Gepäck.
Auf dem Weg zurück zu unserem Freddy kommen wir am Markt für die lebenden Tiere vorbei. Kühe, Schafe, Pferde.
Wir verlassen zusammen mit Uli und Gisela Rissani, nicht ohne die Fahrzeuge vorher vollgetankt zu haben und halten in einem Oasengarten. Es ist so heiß, das Frank und ich kaum gegessen auch schon einschlafen. Freddy liegt im Schatten der Fahrzeuge, hechelnd, seine Ente neben sich. Bevor wir wieder die Wüste ansteuern, sammeln wir abgestorbene Palmenwedel. Heute Abend gibt es wieder ein Feuer.
Mit Frank am Steuer durchqueren wir die nördlichen
Ausläufer des Erg Chebbis. Vor uns sind Reifenabdrücke, die sich durch ein breites Dünental schlängeln. Frank hofft, es ist der richtige „Weg“, also einer der auf der anderen Seite des Dünengebietes auch wieder raus kommt. Als Anhaltspunkt dient uns das Bergplateau von Algerien. Unser GPS hat seinen Geist vorrübergehend wegen Überhitzung aufgegeben, während wir Siesta hielten. Ich hoffe, wir bleiben hier nicht stecken, denn jetzt bin ich Beifahrerin.....hier reichen keine zweihundert Meter laufen, bis Frank mich wieder zu sich ins Auto holen könnte. Verwundert schaue ich immer wieder nach hinten. Der Sprinter folgt uns in großem Abstand. Ganz souverän. Uli hat sehr rasch gelernt. Dann sagt Frank etwas, das mich kurz glauben lässt, er hat einen Sonnenstich. „Mach die Klimaanlage aus, und dreh die Heizung voll auf.“ Wir sind in der Wüste bei fünfunddreißig Grad und vollem Sonnenschein! Dennoch tue ich, wie mir aufgetragen, Frank dabei nicht aus den Augen lassend. Er greift zum Funkgerät und gibt die gleiche Anweisung an Uli weiter. Uli antwortet stockend, „Verstanden.....“, „.....Machen wir.“ Die Fragezeichen, die bei mir im Kopf sind, flattern auch bei Uli und Gisela herum. Die kann ich bis zu uns hören. Aber so eine Strecke durch reinen Sand ist nun mal sehr ungeeignet für warum´s, weshalb´s, wieso´s. Daher schweige ich und halte meine Erdbeeren noch fester auf meinem Schoß, und verstehe so langsam was Frank meinte, als er auf dem Markt sagte, „Kauf nur so viele Erdbeeren ein, wie wir zum Mittag essen können. In der Wüste werden sie zu Mus.“ Nur kurz wirft Frank einen Blick auf mich und die Erdbeeren. Das er übers ganze Gesicht grinst muss ich wohl nicht erwähnen. Was ich noch nicht verstehen will, warum Frank mich auf dem Markt in Rissani zu Teegläsern ohne Gravur überreden wollte. „Heike, wir fahren Piste, viel Piste, schwere Piste. Da reibt sich so eine Gravur ab, wenn die Gläser überhaupt überleben sollten.“ Ich kaufte trotzdem zwei Gläser mit Gravur, so wie ich statt einem Kilo Erdbeeren drei Kilo kaufte. Frank hat daraufhin auch Gläser eingekauft, die ohne Gravur. Während der Verkäufer alles einpackte, haben wir uns angegrinst und wahrscheinlich dabei das Gleiche gedacht, „Du wirst schon sehen, meine Gläser sind die die überleben werden“. Dann plötzlich ein Knall im Innenraum, Freddy erschreckt sich und würde am liebsten zu uns vorspringen und ich ziehe zumindest in Betracht, das werder Frank noch ich Recht behalten könnten. Denn eine Kiste hat sich gelöst und fliegt im hinteren Teil des Toyotas herum.
Ohne weitere Zwischenfälle erreichen wir eine Piste, die uns nun an der östlichen Seite des Erg Chebbi entlang führt. Hier können wir anhalten, Freddy trinken lassen und die vielen frei herum laufenden Kamele, mit ihren frisch geborenen Kleinen bestaunen. Ich frage nach, wie sich das mit der Heizung verhält. Kurz: um den Motor zu kühlen. Jetzt für diejenigen, wie mich, die noch immer Fragezeichen im Kopf haben. Unser Motor ist wassergekühlt, also um den Motor herum befindet sich Wasser, das über den Fahrzeugkühler abgekühlt wird. Des Weiteren gibt es noch einen Heizungskühler, der kommt ins Spiel, wenn die Heizung auf warm gestellt wird. Damit wird die Kühlwirkung auf den Motor verstärkt. Was sehr wichtig ist, bei einer Tour mit Vollgas.
Da wir diese Nacht in den Dünen schlafen wollen, Frank zum Sonnenuntergang auf eine besonders hohe Düne aufsteigen will, begeben wir uns auf die Suche nach unserem Nachtplatz. Uli und Gisela bleiben zunächst zurück, während Frank direkt die Dünen ansteuert. Rauf auf eine Düne, wieder runter, auf die nächste Düne rauf, wieder runter. Der Dünenkessel ist ja echt super aber da kommt der Sprinter nicht hin, der Kessel ist auch ganz toll aber zu weit weg von der nächsten großen Düne …...Ich halte mich die ganze Zeit am sogenannten Angstgriff fest, sprachlos wie der Toyota und sein Fahrer das alles meistert. Sprachlos über die Landschaft. Sprachlos, das wir heute inmitten der Dünen schlafen werden. So der passende Dünenkessel ist gefunden, über Funk geben wir Uli und Gisela Bescheid, die wenig später neben uns einparken.

Campingstühle ausgepackt, Feuerpalmen abgeladen, staunen, mehr staunen, noch mehr staunen. Anderthalb Stunden vor Sonnenuntergang machen wir uns auf den Weg. Wir brauchen für die Wanderung auf die hohe Düne fünfundsiebzig Minuten. Der Aufstieg ist so irre anstrengend. Zwei Schritte rauf, ein Schritt zurück gerutscht. Dazu kommt ein kleiner Sandsturm auf, der Sand pfeift unter unsere Sonnenbrillen hindurch, dringt in unsere Nasen ein. Der einzige der völlig entspannt den Berg herauf marschiert ist unser Freddy mit seiner Ente. Er kommt immer wieder zu mir zurück, dem schwächsten Glied in der Kette :- (so als würde er mich ermuntern wollen,
weiterzugehen. Auf der Hälfte der Strecke sehe ich, wie sich eine Gestalt im dunklen Umhang unseren Autos angenähert hat. „Da ist jemand an unserem Auto“, sage ich zu den anderen, die erstaunt sind, dass ich so weit schauen kann. Zu Frank erwähne ich, „Wir hätten unsere Stühle ins Auto räumen sollen“. Ich sehe mich bereits auf den Boden sitzen, statt in unseren bequemen Stühlen. „Die nimmt hier niemand weg“, erwidert Frank, „Höchstens es legt noch einer was drauf, eine Melone oder ein paar Datteln.“ Ich will ihm glauben, kann es aber nicht. Die Leute sind hier so arm, unsere Stühle nicht von immensem Wert aber auch nicht ohne. Oben angekommen sind wir alle vier begeistert. Der Anblick ist grandios. Unsere Autos in den Dünen weiter unten sind nur noch winzige Punkte.

Weiter in Teil 2 des 13. Reisetages. Werden unsere Stühle noch da sein? Wer wartet am Ende der Düne auf Freddy?

8 Kommentare:

  1. Na und nicht zu vergessen .... Waren die Gläser in der Kiste, die durch den Toyota purzelte? ;-)

    Bin schon wieder ganz gespannt .....

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    1. Liebe Yvonne, wer mit so viel Spannung liest, dem möchten wir ein dickes Dankeschön senden.
      Ja, das stimmt. Auch diese Frage mit den Gläsern, ob in der Kiste oder nicht, ist noch offen.....Und wir bald in Kürze verraten.

      Einen guten sonnigen Arbeitstag
      wünschen Frank und Freddy und Heike

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  2. Sehr schön geschrieben!

    Gruß

    Rocky

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  3. ...und
    "Mit Vollgas und Erdbeermus in die Wüste"
    wäre doch der perfekte Titel des Buches!

    Grüße

    Rocky

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    1. Lieber Rocky, es ist mehr als schön, einen so interessierten Leser in dir zu haben.
      Mit dem Titel, echt...das hat mir die "Augen geöffnet". Denn es könnte wirklich der perfekte Titel sein. Es bringt unser "Hauptziel", also die Befahrung der Wüste, interessant und witzig auf den Punkt.
      Rangiert damit ab jetzt an erster Stelle. Danke, Danke, Danke.

      Liebe Grüße von uns Drein :-)

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  4. Ihr Lieben, es ist so interessant und bildlich geschrieben das ich ganz oft mit euch reise. Ich kann mich meinen Erinnerungen hingeben und genieße deine Art zu schreiben sehr. Schade nur das es nicht schon ein Buch ist, da könnte ich bis zum letzten Tag weiter lesen ;-). Auch die Fotos sind klasse und ich warte schon auf noch viele spannende Zeilen... vlg Heike

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  5. Meine liebe Namensvetterin,

    wir freuen uns sehr über dein Kompliment, bezüglich Schreibstil und Fotos. Ebenso, das du du mit uns "mitreist". Herzlichen Dank. :-)

    Heike & Frank & Freddy

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  6. Hallo Ihr Lieben,

    es ist so wunderbar zu lesen, mit welcher Leidenschaft Ihr durch die Wüste reist. Ich bin begeistert und kann durch die erstaunlichen Bilder gerade zum Sonnenaufgang, die Stille fast hören.

    bis bald Christina

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