Mittwoch, 4. Mai 2016

Marokko Reise 2016 - Montag, den 04.04.2016

Heike
Montag – 5. Urlaubstag (ich habe mich entschlossen den Donnerstag nun doch als Reisetag anzuerkennen)

Wir sitzen in unserer Kabine, die Sachen sind zusammen gepackt und die Vorfreude auf Marokko wächst. Wir befinden uns in der Meeresenge von Gibraltar.... klingt spannend aber im Grunde bedeutet es Land rechts und links.

Der Tag heute ….. Mm.... das Meer, das Meer, das Meer, für mich immer noch schön zu betrachten, zumal wir zwei Meter hohe Wellen haben, die beinahe allesamt Schaumkronen tragen. Es ist bisher meine erste mehrtägige Schiffsreise und ich muss sagen, es hat was so zu reisen. Die Entfernung von ca. 1730 km auf dem Wasser bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h..... da wird mir bewusst, wie weit wir reisen. Im Flieger ist das anders, einsteigen, Film anschauen, essen, schlafen, lesen und schon ist man da, selbst zwölf Stunden bis Asien sind nun mal kürzer, als achtundvierzig Stunden auf dem Wasser......

Und diese achtundvierzig Stunden vergehen langsam. Aber genau das ist es, mal richtig viel Zeit zu haben, ohne das Gefühl von Eile, etwas zu verpassen oder übermüdet zu sein. Ich werde oft beim Kaffee holen vorgelassen, was mir zwar nicht wichtig ist, ich es jedoch gern annehme. Zuvorkommend und freundlich zu sein, fällt offensichtlich viel leichter mit Zeit ….denn ob man nun ein, zwei oder fünf Minuten mehr ansteht, ob der Kellner sich Zeit lässt an der Espressomaschine oder nicht....... völlig egal.

Die morgige Gassirunde mit Freddy hat heute Frank übernommen. Erfolglos. Frank meinte, Freddy hätte sich einfach nicht getraut ein Bein anzuheben, denn er hätte schon zu tun gehabt sich auf seinen vier Beinen aufrecht zu halten. Als ich später noch mal mit ihm ans Oberdeck bin, war der Druck dann erheblich. Innerhalb der ersten zwei Minuten Pipi..... leider erneut gegen den Wind :-( und kurz danach fiel ihm …..Na ja, es war wie gestern.... schuldbewusstes Gesicht vom Hund, ich zum Haufen hin, er vom Haufen weg ….....Haufen in die Mülltonne, alles abspritzen, Hund lässt seinen eingezogenen Schwanz wieder wedeln.

Bevor ich aufs Deck bin wusch ich meine Haare ....nach wenigen Minuten hatte ich eine äußerst wilde Fönfrisur. So ein Sturm hat eben auch sein Gutes.

Was die Hündin macht? Ich habe sie heute mit ihrem marokkanischen Herrchen an Deck getroffen. Freddy und sie haben zusammen gespielt. Zurück in ihrem Käfig hat sie wieder gewinselt und gebellt, worauf Frank und ich sie….natürlich wieder besuchten.

Heutiger Highlight? Mm...gab es nicht so richtig.

Irgendwelche Erkenntnisse? Ja. Allerdings eher verfestigt.

Welche? Es lohnt nicht, sich über eine Sache/Angelegenheit vorher Gedanken oder gar Sorgen zu bereiten, die man aus Mangel an Fakten weder kalkulieren, voraussehen oder gar planen kann.

Was ich damit meine? Unseren Freddy. Denn ich habe mir bezüglich Fähre und Hund Gedanken gemacht. Aber mal abgesehen von seinen ihm hundepeinlichen Ausscheidungen an Deck, ist die Fährzeit mit ihm unkompliziert verlaufen. Kein Erbrechen wegen Seegang, keine Peinlichkeiten wie auf den Teppich gepullert oder so was. Er lag mit uns auf dem an Außendeck (wobei wir eher saßen), manchmal ganz verträumt aufs Meer schauend, manchmal ganz stolz. Schließlich ist er noch nie mit uns soweit gereist und alleine auch noch nicht, weder als Individualreisender noch als Pauschalbucher :-)

Wir stehen an der Grenzabfertigung. Wir stehen und stehen und stehen. Ich persönlich fühle mich gestresst und der ist nicht von positiver Natur. Schon vom Deck 8 in die Garage zu laufen, erneut die ganzen Treppen zu nehmen, ohne Hilfsmittel wie Fahrstuhl (den wir ja, wie schon erwähnt, mit Hund nicht benutzen dürfen und der zum anderen völlig überlastet ist)….und das wieder mit Campingstühlen, Taschen, Kühlbox und dazu einem Hund, der diesmal nicht nur verängstigt ist sondern in Panik geriet, angesichts der Menschenmassen. Ganz ehrlich, ich hatte echt Angst, er beißt um sich....was bedeutet, er schnappt sich eine Hose mit Bein drunter. Hat er zwar noch nie getan.. aber da ist Mensch und Tier gleich, in Panik tun wir Dinge, die weder sinnvoll oder nützlich sind, stattdessen oft gefährlich. Aber es ist ja alles gut gegangen, Freddy sitzt jetzt auf seinem Platz im Auto und ist wieder ganz entspannt. Was man von mir so ganz und gar nicht sagen kann. Dabei waren wir so guter Dinge....im gesamten riesigen Hafengelände waren Lotsen positioniert, sodass wir ganz leicht den Ausgang des Hafens fanden und damit die Grenzabwicklung....

Die erste Stunde habe ich mich noch ablenken können.... wir entdecken die Rallyefahrer wieder und es sind tatsächlich die richtigen Menschen zum richtigen Auto (also richtig ist natürlich das falsche Adjektiv...was ich damit sagen will Frank und ich lagen echt gut bei unserer Einschätzung :-)) , die Motorradfahrer machen auch das, was wir ihnen voraus gesagt haben...die anderen Menschen die mit an Bord waren, sind entweder schon über der Grenze oder hinter uns, damit wissen wir nicht, ob die Fahrer und Mitfahrer auch in die richtigen Fahrzeuge gestiegen sind......Die Geländewagen scheinen sich vermehrt zu haben und das nicht mit den gleichen Eltern, denn es gibt welche Marke Toyota ( das sind die Besten :-)) des weiteren Mercedes, Mitsubishi, Land Rover, Jeep,.....Aber irgendwann schaffen es auch all die tollen Autos nicht mehr mich zu motivieren. Zudem haben wir jetzt Starkregen. ..

Bei mir scheint es auch in den Kopf hinein geregnet zu haben, denn plötzlich findet eine „Verkehrung“ statt, denn ich denke nicht mehr, der Weg ist das Ziel oder, „Ach 48 Stunden Fähre.... super zum runterkommen...“ Jetzt denke ich, das ist doch Sch..... vier Tage Anreise, vier Tage Abreise … acht Tage unterwegs, nur um ein Land zu bereisen, indem es auch noch regnet, wie bei der Sintflut......das kann man doch auch einfacher haben, es gibt Flugzeuge...  andere Reiseziele...

Jetzt flippen auch noch die Marokkaner um uns herum aus, stimmen ein wildes Hupkonzert an... Ich denke, die sind ja verrückt, wild, ohne Manieren. Ich schaue Frank von der Seite an, er scheint die Ruhe in Person zu sein aber das täuscht, ich erkenne es an den kräftig arbeitenden Wangenmuskeln bei gleichzeitig fest geschlossenen Mund. Wenn ich jetzt noch was gegen die Marokkaner sage.....oh nein, lieber nicht. Da steht schließlich einiges auf dem Spiel. Ich habe mich das ganze vergangene Jahr gewehrt nach Marokko zu reisen und jetzt im angehenden Frühjahr ….na ja da konnte ich ihm seine Bitte nicht mehr abschlagen. Frank liebt Nordafrika und er wünscht sich so sehr, dass mich diese Liebe auch erfasst. Sicher habe ich ihm erzählt, dass ich mich in Allershausen an meinen Traum von Afrika erinnerte …..aber ich glaube es ist noch nicht bei ihm angekommen......da ist so eine Angst in ihm, was passiert, wenn mir nicht Nordafrika gefällt und ihm nicht Asien ( wo ich gern hin reise). …..Sicher da gibt es noch Schwarzafrika, Amerika, Australien und unser schönes Europa......Aber wie schon gesagt, Frank liebt Nordafrika sehr.

Deren marokkanische Einwohner mir aber gerade auf den Nerv gehen, sowohl die hupenden als auch die von Polizei und Zoll.

So, jetzt sind drei Stunden vergangen und wir stehen immer noch. Und die Marokkaner hupen noch. Ein Marokkaner neben uns flippt aus. Er steigt mitten im Regen aus, ich traue meinen Augen nicht.... er reißt sein vielleicht sieben Monate junges Baby aus dem Autokindersitz und läuft mit ihm zu einem Grenzbeamten. Er hält ihm das Kind vors Gesicht, schreit, schreit noch mehr, jetzt schreit auch das Baby, kommt zurück und schmeißt das Kind ( anders kann ich es nicht nennen) zurück in den Autokindersitz. Dann knallt er die Tür so schnell wieder zu, dass Frank und ich gleichzeitig die Luft anhalten und zutiefst hoffen, das Baby möge jetzt nicht seinen Arm ausstrecken.

.....vier Stunden. Selbst die Jungs im Teenageralter, die bisher zwischen den Autos entlang liefen, um Geld, Süßigkeiten, Lebensmittel zu erbetteln sind nun abgehauen. Bei so schlecht gelaunten Reisenden sind ihre Erfolgschancen auf unter Null gesunken. Meine Gedanken sind zu ihren Müttern gewandert, wie es für sie sein muss ...

Wir in Deutschland wollen unseren Kindern alle Wege ebnen, das schließt sehr vieles ein aber keinesfalls betteln. Nur, wirkliche Armut gibt es nicht bei uns und auch nicht, das Gebot der Muslime an Arme abzugeben und damit der Umkehrschluss, das um ein Almosen zu bitten nichts Erniedrigendes ist. Dennoch....sind da nicht alle Eltern gleich? Sie wollen, dass ihre Kinder jeden Tag zu essen und zu trinken haben, ein Dach über dem Kopf ….aber auch das ihre Kinder eine Aufgabe, einen Sinn im Leben finden....das Gefühl gebraucht zu werden, Achtung und Respekt erhalten......

So, jetzt bin ich auch noch traurig und niedergeschlagen.

Und zu allem heulenden Elend tauchen jetzt noch Bilder in mir auf, von meiner Grenzüberquerung von Thailand nach Kambodscha am gefürchteten Grenzübergang  Aranyaprathet - Poipet. Nach der Grenze von Thailand kommt man in eine Art Niemandsland ....mehrere hundert Meter.....dann zwei Stunden anstehen an der kambodschanischen  Grenze in einem engen Gang, in glühender Hitze, mit wenig Luftzufuhr und einem zehn Kilo schweren Rucksack auf dem Rücken, ein älterer Mann fiel vor uns um... Herzversagen, Tod... da weigert sich das Gehirn zu glauben, was es sieht und hört. Und dann die kambodschanischen Grenzer …..die schauten so was von finster und hasserfüllt, dass ich an die roten Khmer denken musste, an die irre Grausamkeit zu denen sie fähig waren und damit kam die Angst, was würden diese Grenzer mit mir tun, wenn sie nur könnten.....

Ich schüttle mich, will die Bilder loswerden und sage mir, „Ist doch gar nicht so schlimm hier....Frank, Freddy und ich sitzen im trocknen. Und die Lotsen die wir bisher gesehen haben, haben alle gelächelt und die Polizisten und Zollbeamten die hier rumlaufen, die wissen zwar ganz offensichtlich nicht was sie tun oder besser tun sollten aber zumindest sind sie freundlich.“

Ju Hu, nach fünf Stunden, vom anlegen der Fähre betrachtet, lassen wir die Grenze hinter uns.

Was geschah?

Kurz vorm einschlafen, tritt ein Grenzbeamter an unser Auto, gestikuliert uns, ob wir Schusswaffen mit uns führen....wir schütteln ungläubig mit dem Kopf, worauf er uns den grünen Zettel in die Hand drückt, den Stunden zuvor Frank inklusive zwei Durchschläge in orange und weiß im Zollhäuschen abholte. Diesen grünen Zettel füllte er im Auto aus und brachte es dem Zollbeamten zurück, inklusive Pässe und Fahrzeugpapiere. Der Zollbeamte meinte, da fehle etwas, Frank müsse noch mal in eins der Polizeihäuschen. Also lief Frank zu den stockdunklen, unbesetzt aussehenden Häuschen (die sind verspiegelt) und gab dort alles ab. Also grüner Zettel, Pässe, Fahrzeugpapiere. Der Beamte tat eine Eingabe im Computer. Frank denkt es war die für Marokko notwendige Fahrzeug-Registrierung. Daraufhin bekam Frank alles zurück und es ging wieder durch den Starkregen hindurch zum Zollbeamten, der ihm den grünen feuchten Zettel inkl. Durchschläge aus den Händen nimmt und auf seinen Schreibtisch legt. Mit einer Handbewegung wird Frank zum Auto zurück geschickt, der nun bis auf die Haut nass, zu mir sagt,

„Der weiß doch nie und nimmer welcher Zettel zu welchem Fahrzeug gehört.“ Aber ….unser grüner Zettel mit unserem Namen ist wieder in unseren Händen, nass aber gestempelt. Ohne einem weiteren Wort oder einer Geste geht der Zollbeamte zum nächsten Auto. Nun heißt es beobachten, was machen die anderen Autofahrer die ebenfalls ihren grünen Zettel zurück haben? Warten… warten, Auto anlassen, warten und dabei Zollbeamten beobachten, Zollbeamten weiter beobachten und langsam anfahren, weiter beobachten, mehr Gas und dann Vollgas und nichts wie weg.

Wir kommen kurz vor Mitternacht auf dem Campingplatz von Larache an, meine Laune …..ist immer noch im Keller. Und wird auch nicht besser, als wir bemerken der Platz ist unaufgeräumt und leer. Wir steigen aus und schon steht ein Mann neben uns und streckt uns seine Hand mit einem „Bonjour“ entgegen. Ach ja, ich erinnere mich.....Marokko war einst französische Kolonie. Als er mitbekommt, dass wir in französisch kaum bewandert sind, wechselt er zu englisch. Er würde hier auf den Platz aufpassen. Frank fragt, ob er jetzt die Zeltplatzgebühr bekäme oder erst morgen. Er meint, es wäre gut, wenn wir ihm heute schon das Geld geben würden. Frank will ihm 100 Dirham geben (10,- Euro), weil er sich erinnert diese Summe in etwa auf den Zeltplätzen in Marokko bezahlt zu haben. Wir haben aber nur 200 Dirham Scheine. Frank gibt ihm einen und der Mann sagt, er könne nicht raus geben, würde aber in die Stadt radeln, um das Geld zu wechseln. Frank nickt. Der Mann radelt los. Ich schaue zu Frank ….sonst bin ich doch eher die „Naive“, denke ich und sage, „Du meinst, er kommt wieder?“ „Ich denke schon“, nickt Frank und stellt das Dachzelt auf. Dort klettere ich rasch hinauf, die 20 Euro sind für mich abgehakt und ich bin müde. „Willst du nicht noch was essen?“ „Nein, will ich nicht. Und. ich putze heute auch keine Zähne.“ Frank sieht traurig aus, als er so unter mir allein seine Schnitten schmiert....aber irgendwie kann ich gerade nicht über meinen Schatten springen. Nach einer Weile ein Geräusch....ein Rad...dann Schritte und ein Klopfen. Ich fasse es nicht. Der Mann ist zurück mit einen einhundert Dirham Schein hin und zwei 50 Dirham Dirham Scheine. Alle drei Scheine hält er Frank glücklich hin. Die Ehrlichkeit des Mannes holt mich aus meiner schlechten Laune heraus. Und jetzt rieche ich es. Die typischen Gerüche des Südens. Und ich höre es.....Zikaden. Und so langsam kommt die Freude zurück.

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