Sonntag, 8. Mai 2016

Marokko Reise 2016 - Dienstag den 05.04.2016

Heike
Dienstag - 6. Reisetag

Der Zeltplatz ist unbewirtschaftet, die Waschhäuser abgesperrt....mit anderen Worten wir hätten kein Zeltplatzgebühr entrichten müssen. Der Mann ist noch da, sagt, er hätte die ganze Nacht auf uns aufgepasst und bedankt sich noch mal für die 100 Dirham. Für uns ist das okay so.

Während Frank unser Dachzelt einklappt, gehe ich Blumen pflücken, die hier wild aus der Erde sprießen und super riechen. 


Den Strauß lege ich ins Auto, vorne auf die Ablage. Das kenne ich von Sri Lanka. Es ist eine lange Geschichte, die ich jetzt und hier nicht erzählen kann... nur soweit als Rucksackreisende mit zwei Kindern von 10 und 12 Jahren kam ich sprichwörtlich über Nacht zu einem Fahrer und einem Guide. Nein, nicht gegen Bezahlung, das ist ja die lange Geschichte. Also der Fahrer dekorierte jeden Morgen das Armaturenbrett mit frischem Obst oder mit frischen Blumen. Beides zum abhalten von bösen Geistern, also eine Art Schutzgabe. Ob ich deshalb den Strauß ins Auto lege? Nein, einfach nur so.

Ach, wie Gerüche unterschiedlich empfunden werden. Frank rümpft nach weniger als dreihundert Metern die Nase und fragt, was hier nach Hundepisse stinke. Er korrigiert sich mit einem Blick auf Freddy und sagt, „Kuhpisse“. Ich zucke mit den Schultern. Die Blumen bleiben.

In Larache kaufen wir Brot. Wir halten vor drei aneinander gereihten Lädchen. Das Brot liegt auf dem Tresen, welcher Straße und damit Kunde vom Verkäufer und dem Innenraum von meist weniger als vier Quadratmetern trennt.

Frank deutet auf ein Baguette und auf zwei Fladenbrote. Mittels Mimik und Gestik erklärt uns der Mann, dass das Baguette frisch sei, das Fladenbrot sei jedoch vom Vortag. Wir bedanken uns für die Ehrlichkeit, kaufen zwei Cola, zwei Wasser und das Baguette und bei seinem Nachbarn die Fladenbrote. Im dritten Lädchen kaufen wir Bananen von der Staude und Apfelsinen mit Blättern. Nein, die hätten wir weder in Laden 1, noch in Laden 2 bekommen.

So, und damit geht es Richtung Fes, eine der vier Königsstädte in Marokko.

Gefrühstückt wird auf einem Rastplatz auf der Autobahn. Umgeben von grasenden Schafen und ihrem Hirten, der uns mit einem „Bonjour“ zuwinkt.

Die Autobahn ist wenig befahren und kurzweilig. Fußgänger überqueren die Straße, fast erwachsenen Jungs stehen an der Straße mit Säcken, die gefüllt sind mit Galiamelonen oder Kartoffeln, die zum Verkauf gedacht sind. Ja, anhalten ist hier sicherlich verboten und dennoch..... üblich. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit? Zwischen 80 und 110 km/h.

Rechts und links der Straße tauchen Kartoffel-, Erdbeer-, Tomaten-, Wein- und Olivenfelder auf. Ebenso gibt es Karren die von Eseln, Maultieren oder klapperdürren Pferden gezogen werden und auf denen die Ernte kutschiert wird oder auch Frauen und Kinder. Zwischen drin riesige blühende Bougainville, mächtige Kakteen, Wiesen übersät mit gelben und lila Blütenteppichen. Weiterhin tauchen Reiter auf, ebenfalls entweder auf Eseln, Maultieren oder Pferden. Alle scheinen mehr oder weniger mit den Feldbestellung, Pflege, Ernte beschäftigt zu sein. Ein friedliches Bild. Das ganz bestimmt täuscht. Ich bin auf einem Erdbeerfeld groß geworden, zudem bauten wir Tabak, Bohnen, Kirschen, Äpfel und Johannisbeeren an. Ich liebte die Zeit der Ernte …..und hatte in mancher Nacht Alpträume davon. Erdbeeren werden über Wochen reif und wollen jeden Tag gepflückt sein, noch bevor es heiß wird. Bohnen sind richtig schlimm, jeden Tag hängen dutzende neue dran, naschen ist auch nicht möglich, seit denn man leidet unter einer Geschmacksstörung und will sich zudem vergiften. Einhundertfünfzig Sauerkirschbäume, ...zig Johannisbeerbüsche verlangen ebenfalls ihre Zeit ab, das Gute an ihnen, hat man die Früchte abgeerntet, reifen erst im neuen Jahr die nächsten heran. Es ist herrlich die großen Blätter der Tabakpflanze zu ernten und dennoch ist es Arbeit jedes einzelne Blatt auf eine lange Schnur aufzufädeln, die dann zum trocknen in die Scheune aufgehangen wird.

Kurzum: Hege, Pflege, Ernte von Nutzpflanzen und Bäumen setzt einen starken Rücken voraus, benötigt Geduld und Ausdauer....und bringt selten das Geld, was die Arbeit wert sein sollte. Und wenn ich sehe, wie hier die Frauen Erdbeeren ernten....Sie beugen sich nach vorn, auf ihrem Rücken wird eine Stiege festgebunden und in diese hinein pflücken sie die Beeren. Stunden in dieser Haltung, ohne Möglichkeit seinen Rücken mal kurz aufzurichten.......würden sie es tun, würden die Beeren aus der Stiege fallen. Wie die Frauen hier aussehen? Ich kann nur sagen, was sie anhaben. Meist bunte, lange, am Saum bestickte Mäntel, dazu passende Kopftücher.

100 km vor Fes ändert sich das Bild. Die Ausläufer des mittleren Atlas beginnen....die Plantagen gehen zurück, dafür weite Grasflächen auf denen Schafe grasen, im Hintergrund Hügel bis Berge. Die Müllsammler in ihren orangen Westen sind verschwunden, ebenfalls gibt es weniger Esel/Pferd/ Maultierkarren.

Vierzig Kilometer vor Fes ist der mittlere Atlas wieder „verschwunden“. Erneut Plantagen, jetzt aber mit blühenden Pfirsich/ Aprikosen und Birnenbäumen.

Wir umrunden Fes und damit die Medina (Altstadt) mittels Ringstraße, parken an einem erhöhten Aussichtspunkt. Vorfreude auf die Stadt? Ja. Das graue Wetter und die vereinzelten Regentropfen dämpfen jedoch die Freude ein wenig ab.

Selbst hier grasen Schafe, die von ihren Hirten beaufsichtigt werden, Menschen in kleinen Gruppen oder vereinzelt sitzen herum. Mein Blick verweilt bei einer Frau mit Baby, die auf der bloßen kalten Erde sitzt, das Baby in ihrem Arm schläft, eine kleine Hand kommt dabei auf den Boden zu liegen. Was machen die Beiden hier, an so einem ungemütlichen Tag? Ist es in ihrem Zuhause noch ungemütlicher? Haben sie überhaupt ein Zuhause?

Ich vertiefe mich in unseren Reiseführer. Frank möchte heute noch nicht in die Medina, ich noch nicht auf den Zeltplatz.....auf Campingstühlen sitzen bei grauem Himmel und Regenschauern.... nein, darauf habe ich keine Lust.

Ich entdecke ein Thermalbad, nur zwanzig Kilometer von uns entfernt. Das Wasser kommt mit 52 Grad aus der Quelle. Und das Gute, Männer und Frauen dürfen gemeinsam in die heißen Fluten. Das dumme ist nur dieses Thermalbad steht nicht auf Franks Plan. Und Pläne sind ihm wichtig. Mm.....da hilft also nicht zu fragen, können wir dahin fahren, denn dann könnte er mit ja aber auch mit nein antworten. Ich schaue weiter in den Reiseführer und da finde ich die strategisch richtige Frage :-). „Du Frank, mir ist echt kalt. Wir können ins Hammam hier in die Stadt gehen, aber dann leider getrennt voneinander oder in ein Thermalbad, nicht weit von hier, wo wir beide zusammen baden können. Was meinst du, Hammam oder Thermalbad? “ 
Wenige Minuten später sind wir auf dem Weg zum Thermalbad. Frank wird „belohnt“, zum einen von mir, mit einer extra Portion Kopf graulen, zum anderen von der Landschaft. Denn hier könnten die Filmmacher Episoden von Starwars gedreht haben.
 Wüstenhafte Hügellandschaft... in der Tat, wie auf einem anderen Planeten. Ab und an steckt ein Baum in der trockenen krustigen Erde....dass er dort wäschst ist kaum vorstellbar. Das kleine Dorf in dem das Thermalbad sich befinden soll ist ein Erlebnis für sich. Wir fahren in das Dorf hinein und damit sofort stetig weiter nach unten. Unten angekommen, scheint die Straße aufzuhören, an Geländern sind Esel angebunden, die darauf warten, Waren vom Ober- ins Unterdorf zu transportieren oder anders herum. Es gibt Garküchen, kleine Basare mit Waren des täglichen Bedarfs und wir sind hier ganz sicher die einzigen Touristen. Mit Händen und Füßen (mit denen ich Schwimmbewegungen anzeige) frage ich mich durch. Und erfahre, die Straße hört hier nicht auf.....also wie oft, der Schein ist trügerisch.

Nach wenigen Minuten sind wir da und parken ein. Freddy bleibt im Auto und passt auf.


Das Bad ist sauber aber schon sehr in die Jahre gekommen. Schön ist es dennoch. Das runde Bassin befindet sich unter einer hohen Kuppel, der Baderaum selbst ist ebenfalls rund. Um das Bassin herum stehen unansehnliche Liegen aus Plastik. Wir steuern die einzige freie an, legen unsere Bademäntel dort drauf (die bekommt man an der Rezeption, herrlich angewärmt und sind im Eintrittspreis von 25,- Euro für zwei Personen inbegriffen). Das Wasser ist echt heiß und das sagt hier eine Frau. Was das bedeutet? Das Frauen in aller Regel heißer baden wie Männer, die wiederum schreien, ob man sie abkochen wolle, wenn sie nach über eine Stunde in das ehemals angenehm warme Badewasser der Frau steigen.

Hier baden in der Überzahl marokkanische Männer, die wenigen Frauen werden dennoch nicht angestarrt (hatte ich befürchtet) . Marokkanische Frauen tragen unter ihrem Badeanzug Leggings und langes Shirt....sieht schon ein wenig komisch aus. Was ich anhabe? Einen züchtigen Badeanzug, den Bikini habe ich im Auto gelassen.

Nach jeweils zehn Minuten im Wasser soll man eine Pause einlegen....wir können nur sagen, man muss, will man nicht kollabieren. Das Personal besteht hier, bis auf eine Ausnahme, aus Frauen. Die wiederum alle, bis auf eine, ohne Kopftuch gehen. Als ich mir eine Massage buche, ist es wie überall auf der Welt, wenn Frauen allein zusammen kommen. Es wird viel gekichert. Wegen was? Spielt keine Rolle.

Für mich gehört die Badekultur eines Landes genau so zum bereisen, wie das Kennenlernen der Essenskultur oder das anschauen der wichtigsten Sehenswürdigkeiten. In Deutschland wird nun mal anders massiert als in Thailand oder in Istanbul im Hammam oder in Sri Lanka. Hier in Marokko muss man erst mal warten.... obwohl ich, wie die anderen Mit - Wartenden, einen Termin erhalten habe. Es ist ein bisschen wie an der Grenze, viel Personal, die herum stehen und nichts passiert. Nach zwanzig Minuten holt mich eine Frau ab und führt mich in einen anderen Bereich. Holzgetäfelte Wände und Decke, alles sehr edel. Ich werde in eine Kabine geführt, mit Ölradiator und Wellnessmusik.

Die Massage ist so intensiv, dass sich die Zeit zu meinem Gunsten auflöst. Es ist mir ein Rätsel, wie eine Masseurin es schafft einen ganzen Körper durch zu massieren, inklusive Kopfhaut und Ohren, wie gesagt innerhalb einer halben Stunde und dennoch nicht das Gefühl aufkommt, das ein Körperteil zu kurz kommt.

Wie auf Wolken schwebe ich zu Frank zurück, der sich mittlerweile gegart vorkommt, wir duschen lange, um den Schwefelgeruch des Thermalwassers abzuspülen und verlassen das Bad.

Nachts, auf dem Zeltplatz Diamant Vert in unserem Dachzelt stöhnt Frank, „Ich ertrage den Schwefelgeruch nicht mehr, der aus meinem Schlafsack steigt. Ich traue mich gar nicht mehr zu bewegen.“ Und da sind wir wieder bei der subjektiven Wahrnehmung. Denn ich finde nicht, das auch nur einer von uns stinkt.

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